Die Stadt nimmt einen neuen Anlauf zu Leistungskürzungen und Gebührenerhöhungen. Die Kritik bleibt.

Stuttgart - Die Rathausspitze hält daran fest, trotz guter Finanzlage die Haushalte um 26 Millionen Euro pro Jahr zu entlasten. Mit der Entscheidung des Gemeinderats, eine weitgehend als unangemessen erachtete Streichliste nur „zur Kenntnis zu nehmen“, ist der Vorschlag trotz großer Verärgerung nicht vom Tisch. Er wurde lediglich in die Etatberatungen verschoben, wo dann der Rotstift nach Wunsch der Bürgermeister Michael Föll (CDU, Finanzen) und Fabian Mayer (CDU, Personal) erneut angesetzt werden soll.

 

Sie fordern nun ihre Kollegen auf, für jene „Maßnahmen zur strukturellen Verbesserung des Stadthaushalts“, die sie nicht selbst in den Entwurf für 2018/2019 einstellen können, Beschlussvorlagen zu erarbeiten. Diese sollen „gut begründet“ dem Gemeinderat zur Genehmigung vorgelegt werden. Ausgenommen sind Vorschläge zur Personaleinsparung, etwa bei der Rentenberatung. Diese würde Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) auf einer separaten Liste präsentieren, was im Rathaus den Verdacht nährt, bei der pauschalen Abstimmung könnten umstrittene Positionen übersehen werden.

26 Millionen Euro sparen bei 231 Millionen Gewinn

Kuhns Streichliste stieß auf Unverständnis, weil sie mit einem Jahresüberschuss von 231 Millionen Euro präsentiert worden war. Die Notwendigkeit, nun jährlich 26 Millionen Euro einsparen zu müssen, war mit Gewinnerwartungen begründet worden, die um den Faktor 100 zu niedrig angesetzt waren.

In den Referaten tut man sich schwer, Begründungen für Streichungen und Gebührenerhöhungen zu liefern, weil man diese selbst für unsinnig erachtet. Der OB hat es da leichter. Er war mit dem Widerspruch konfrontiert worden, die Blumenbeete auf dem Killesberg verkleinern und gleichzeitig ein großes Begrünungsprogramm verkünden zu wollen, worauf er kurzerhand den Höhenpark von der Streichliste nahm. Wie aber soll Sportbürgermeister Martin Schairer (CDU) die Erhöhung der Mieten für Sportstätten um 15 Prozent verkaufen, wenn er überzeugt ist, den Vereinen nicht etwas nehmen zu können, sondern mehr geben zu müssen? Und wie soll die Sportverwaltung die Schließung der zweiten Eishalle auf der Waldau über einen Zeitraum von sieben Wochen schönreden, da die Saison ohnehin kurz ist und sich die Stadt doch freuen müsste, dass sich Kinder und Jugendliche überhaupt noch bewegen? „Ich hoffe, dass der Gemeinderat unsere Argumente versteht“, sagt Tus-Eissport-Vorstandsmitglied Stefanie Schorn (CDU). „Die Stadt würde hier an der falschen Stelle sparen.“

Schwimmen lernen ohne Bäder?

Auch bei den Bäderbetrieben tut man sich schwer, Argumente für die Beendigung des öffentlichen Badebetriebs in Bad Cannstatt, Plieningen und Feuerbach zu finden. Der Betrieb ist eingebunden in Schairers Schwimmfit-Aktion, mit der in wenigen Jahren jeder Viertklässler zu einem guten Schwimmer gemacht werden soll. Dafür brauche es mehr Schwimmzeiten und nicht weniger, hat Schairer kürzlich betont.

Und die Stadt will weiter an der Gebührenschraube drehen. So soll etwa das Heiraten teurer werden. Die Reinigungsleistung (18 Euro) nach einem Sektumtrunk im Anschluss an eine Trauung soll künftig über eine Gebühr refinanziert werden. Die Buchausleihe wird gleich um 20 Prozent teurer, die Versäumnisgebühr um zehn auf 60 Cent. Der Betriebskostenzuschuss von 37 000 Euro pro Jahr an die Caritas für die Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung und deren Angehörige soll gestrichen und der Umweltpreis nur noch alle zwei Jahre verliehen werden. Die Betriebszeiten der Brunnen könnten von sieben auf sechs Monate gesenkt werden. Das spart 50 000 Euro pro Jahr.