Um in den nächsten beiden Jahren einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren zu können, will der Gemeinderat jetzt sparen, bereits beschlossene Vorhaben zurücknehmen und auf geplante verzichten. Aber nicht alle sehen die Notwendigkeit dafür.

Stuttgart - Der Gemeinderat muss in den Haushaltsberatungen bereits beschlossene Vorhaben zurücknehmen und auf geplante verzichten. Die Verwaltung schlägt zudem von 2017 an eine „globale Minderausgabe“ von jährlich 27 Millionen Euro vor. Nur so könne die Stadt nach Aussage von OB Fritz Kuhn (Grüne) und Kämmerer Michael Föll (CDU) in den nächsten beiden Jahren einen ausgeglichenen laufenden Haushalt erreichen und die Neuverschuldung im Rahmen halten. Und dies, obwohl sich die gute Kassenlage in diesem Jahr noch einmal um 72 Millionen Euro verbessert hat und sich die Stadt ein zinsfreies Darlehen von 20 Millionen Euro für die Flüchtlingsunterbringung sicherte.

 

Aber ohne den Rotstift würden im Haushalt 2016/17 für den laufenden Betrieb 42 Millionen Euro fehlen. Und es müssten in diesem Zeitraum 271 Millionen Euro Schulden gemacht werden. Bis 2020 fehlten sogar 275 Millionen Euro und es wären Kredite von 683 Millionen Euro nötig. In dieser Rechnung hat Föll bereits die Beschlüsse des Gemeinderats berücksichtigt, die das Gremium von Montag an in der zweiten Lesung eigentlich fassen wollte.

CDU und Grünen nicht überzeugt von Kürzung

Die Spitzen von CDU und Grünen schlagen deshalb ihren Fraktionen vor, ihre Wunschlisten zusammen zu streichen, obwohl sie „in die Breite der Stadtgesellschaft“ wirkten. Dabei sind sie von der Notwendigkeit zu kürzen nicht überzeugt. In einer gemeinsamen Mitteilung schreiben sie, die kommenden Jahresergebnisse würden ganz sicher viel besser ausfallen als von Föll prognostiziert; viele Annahmen seien zu vorsichtig bewertet. Das kenne man aber schon vom Kämmerer: Seit 2004 habe der Gemeinderat Kreditermächtigungen von 762 Millionen Euro erteilt, ohne dass dann ein Euro aufgenommen worden wäre.

Am Morgen war Föll für die Schwarzmalerei im Verwaltungsausschuss kritisiert worden. Der Kämmerer konterte mit dem Hinweis, die Stadträte täten so, als ließe er die freien liquiden Mittel verschwinden. Tatsächlich vergrößere sich dank der Überschüsse der Investitionsspielraum.

Finanzbürgermeister kann 2015 nicht schlechtreden

In der Vergangenheit hatten es die Fraktionen immer wieder versäumt, sich die Hoheit über den Gewinn zu sichern. Während sie bei den Haushaltsberatungen alle zwei Jahre oft um wenige tausende Euro streiten, stimmen sie kommentarlos zu, wenn der Kämmerer im Sommer Nachtragshaushalte mit hohen Millionenbeträgen präsentiert – und die Verwendung des Überschusses gleich mitliefert..

Das laufende Jahr könnte aber auch der Finanzbürgermeister nicht mehr schlecht rechnen. Es gab eine überraschende Gewerbesteuernachzahlung (es soll sich um Daimler halten) von 45 Millionen Euro und Mehreinnahmen bei der Grunderwerbssteuer von 14 Millionen Euro sowie höhere Umlageerlöse. Außerdem flossen die Mittel für Sach- und Dienstleistungen nicht vollständig ab, so dass Föll insgesamt fast 80 Millionen Euro ins nächste Jahr rettet. Dabei sind 23 Millionen Zuschuss fürs Klinikum enthalten und Mehrkosten für die Flüchtlingsunterbringung (13 Millionen).

Die nahe Zukunft sehen Kuhn und Föll dennoch sehr viel weniger rosig als die Stadträte. Dabei wissen sie das Regierungspräsidium an ihrer Seite. Deren Experten haben sich die Zahlen des in Arbeit befindlichen Doppelhaushalts angeschaut, über den wieder von Montag an und dann final am 18. Dezember beraten wird. Sie haben offen gelassen, ob ein Anstieg der Verschuldung von heute 11,4 auf 682,9 Millionen Euro im Jahr 2020 genehmigt würde. Sie empfehlen aber, erst einmal das „Girokonto“ in Ordnung zu bringen. Den Ergebnishaushalt aber mit einem Kredit auszugleichen, ist nicht empfehlenswert.

Verwaltung hat schlechte Nachrichten

Wie konnte es so weit kommen? Die Lage hat sich seit September, als Kuhn und Föll ihren Etatentwurf präsentierten, stetig verschlechtert. Dieser war schon auf Kante genäht, weil die Stadt mit sinkenden Gewerbesteuereinnahmen kalkulieren muss und viele Kosten steigen, nicht nur die für die Betreuung von Flüchtlingen.

Danach hat die schwarz-grüne Mehrheit, häufig unterstützt von den anderen Fraktionen, in der ersten Lesung viele Maßnahmen beschlossen. Dazu zählt Ausgefallenes wie eine Konferenzreihe zur Gemeinwohlökonomie, es gibt aber auch Zuschüsse für freie Träger im Sozialbereich sowie die Unterstützung von Kultur und Sport. Das trieb den Plan so richtig in die roten Zahlen.

Nun hat die Verwaltung weitere schlechte Nachrichten: Wegen des VW-Skandals fallen in den nächsten beiden Jahren je 20 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen weg, und es wird mit Flüchtlingskosten von 46 Millionen Euro und Investitionen von 33 Millionen Euro gerechnet. Das ist optimistisch kalkuliert: Föll rechnet 2016 nur noch mit monatlich 500 Flüchtlingen und mit 300 im darauffolgenden Jahr. Derzeit liegen die Zahlen doppelt so hoch.