Der Gemeinderat hat mehrheitlich einen Vorstoß der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus abgelehnt, den Gremien vor Ort mehr Kompetenzen einzuräumen und die Lokalpolitiker direkt von den Bürgern wählen zu lassen.

Stuttgarter Norden - Mehr Demokratie wagen und echte Bürgernähe praktizieren: Dafür haben die Stadträte von SÖS-Linke-Plus auch wieder in den vergangenen Haushaltsberatungen geworben. Die Fraktionsgemeinschaft möchte, dass die Bezirksbeiräte in naher Zukunft mehr Kompetenzen bekommen und direkt von den Bürgern gewählt werden. „In Stuttgart haben wir Stadtbezirke mit mehr als 50 000 Einwohnern und vielen Aufgaben, die von einem 60-köpfigigen Gemeinderat nicht zu überschauen sind“, heißt es in einem Antrag von SÖS-Linke-Plus. Bislang haben die Bezirksbeiräte nur beratende Funktion und „werden von ihren Parteien und dem Gemeinderat benannt“. Wenn es nach der Fraktionsgemeinschaft geht, sollte die Direktwahl das erste Mal 2019 stattfinden. Doch eine große Mehrheit im Gemeinderat hat den Vorstoß von SÖS-Linke-Plus im Rahmen der dritten Lesung der Haushaltsberatungen bei 16 Ja-Stimmen abgelehnt. Unterstützung gab es nur von den Sozialdemokraten.

 

Alexander Kotz von der CDU begründete seine Entscheidung damit, dass er nicht glaubt, dass diese Direktwahl dafür sorgen werde, dass das Interesse an Politik in der Bevölkerung größer werde. Und Silvia Fischer von den Grünen sagte: „In den 90er Jahren waren wir betört von dieser Idee. Wir sind allerdings davon abgekommen. Wir wollen keine Kirchturmpolitik machen. Die Entscheidungen müssen hier im Gemeinderat fallen.“ Zudem werde so eine Direktwahl für Enttäuschungen vor Ort sorgen, wenn der Bezirksbeirat weiterhin nicht wirklich über etwas entscheiden könne.

Gründung eines Arbeitskreises wird abgelehnt

„Natürlich braucht der Bezirksbeirat mehr Kompetenzen“, erwiderte Hannes Rockenbauch (SÖS-Linke-Plus). Wie die genau aussehen könnten, wollte die Fraktionsgemeinschaft mit den Stadtrat-Kollegen klären, wenn ab Mitte dieses Jahres die Hauptsatzung der Gemeindeordnung überarbeitet wird. Die Stadtverwaltung solle bis dahin ein Konzept erstellen und dazu folgende Punkte klären: Welche Aufgaben können den Bezirksbeiräten übertragen werden? Welche Organisationsstruktur muss in den einzelnen Bezirksverwaltungen entstehen? Wie hoch müssen die jeweiligen Haushalte der Bezirke sein, um die Aufgaben meistern zu können? Und wie werden die Bezirksvorsteher bestimmt? Aber auch dieser Antrag wurde bei nur 20 Ja-Stimmen abgelehnt. Da half auch die Unterstützung der FDP nichts. „Wir haben hohe Sympathien für den Antrag“, sagte der Liberale Matthias Oechsner. Allerdings könne es noch einige Probleme geben – zum Beispiel, dass die Parteien nicht genügend Kandidaten finden. Wenn es nach SÖS-Linke-Plus gegangen wäre, hätten diese und weitere Fragen in einem interfraktionellen Arbeitskreis mit der Stadtverwaltung geklärt werden sollen. Doch auch dafür fand die Fraktionsgemeinschaft keine Mehrheit.

Auch OB Rommel hat sich schon mit dem Thema befasst

Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle hatte im Vorfeld die Sicht der Stadtverwaltung zum Thema Direktwahl der Bezirksbeiräte in einer Vorlage dargestellt. Er verwies auf eine Stellungnahme aus dem Jahr 2003. Diese Ausführungen würden nach wie vor gelten. Damals schrieb Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, dass der städtische Haushalt dann künftig in einen Gesamthaushalt und 23 Teilhaushalte gesplittet werden müsse. Neue Stellen müssten geschaffen werden, die jährlich mehr als zehn Millionen Euro kosten würden. Zudem bräuchte man rund 670 000 Euro, um die Direktwahl der Bezirksbeiräte durchzuführen. Wölfle sieht „auf absehbare Zeit keinen finanziellen Spielraum der Landeshauptstadt für die Direktwahl“. Für die Verwaltung sei außerdem nicht erkennbar, dass der Gemeinderat bereit sei, sub-stanzielle Entscheidungskompetenzen an direkt gewählte Bezirksbeiräte abzugeben. Und das sei zwingend notwendig, um eine Direktwahl zu rechtfertigen.

Schon 1993 hatte sich OB Manfred Rommel mit dem Thema auseinandergesetzt: „Die Verwaltung verschließt sich dem Gedanken einer Direktwahl der Bezirksbeiräte nicht, wenn die Zahl der Stadtbezirke auf fünf bis sieben vermindert würde.“ Eine Volkswahl der Bezirksbeiräte auf der Grundlage der bestehenden Struktur bringe nichts und lasse sich kaum begründen.