Zum zweiten Mal hintereinander weist der Bund einen hohen Überschuss aus. Die Koalition diskutiert über die Verwendung. Die SPD will mehr investieren, die Union hat mit dem Geld aber andere Pläne.

Berlin - Das sei „historisch einmalig“, heißt es im Bundesfinanzministerium. Zum dritten Mal hintereinander verzeichnet der Bundeshaushalt Überschüsse oder ist zumindest ausgeglichen. „Das ist ein Signal der Stabilität“, sagen die Spitzenbeamten im Finanzressort. Wie erwartet schließt der Bundeshaushalt 2016 mit einem dicken Plus ab. Nach dem vorläufigen Haushaltsabschluss ergibt sich ein Überschuss von 6,2 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr war der Überschuss doppelt so hoch. Das Ergebnis wäre noch höher ausgefallen, wenn das Kabinett nicht noch einen Nachtragshaushalt 2016 mit Ausgaben von 3,5 Milliarden Euro auf den Weg gebracht hätte. Das Geld soll zur Sanierung von Schulen dienen. Da der Nachtragshaushalt erst im Frühjahr 2017 verabschiedet werden soll, haben Union und SPD Zeit, um über die Verwendung der Überschüsse zu verhandeln.

 

Schäuble dämpft Erwartungen

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dämpfte sogleich die Erwartungen. Der Überschuss von 6,2 Milliarden Euro soll komplett zur Schuldentilgung verwendet werden, schlug Schäuble vor. Doch aus der SPD kam sogleich Widerspruch. „Es ist wichtig, dass diese Gelder jetzt zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit unseres Landes eingesetzt werden“, sagte der SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider. Die Union folgt den Vorgaben des Finanzministers. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg, sagte: „Wenn wir jetzt nicht tilgen, wann dann?“

In den kommenden Wochen dürfte es um diese Frage noch Debatten geben. Denn auch in der Union mehren sich die Stimmen, die das Geld nicht nur zur Schuldentilgung nutzen wollen. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) forderte in „Bild“, der Staat solle den Bürgern etwas zurückgeben. Auch der Wirtschaftsflügel der Unionsfraktion verlangt seit Langem eine Steuersenkung. Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, sagte dieser Zeitung: „Wir brauchen eine echte Steuerstrukturreform, am besten sofort. Schnellschüsse ohne Substanz sind verkehrt.“ Damit macht der Wirtschaftsflügel der Union deutlich, dass er sich mit kleinen Schritten nicht zufrieden gibt. „Wir brauchen keine Mini-Reform, bei der nur eine Entlastung im Gegenwert von zwei Cappuccinos herauskommt.“

SPD von Schuldentilgung wenig begeistert

Die Debatte in der Koalition hat gerade erst begonnen. Sie wird auch dadurch beflügelt, dass nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen für das abgelaufene Jahr insgesamt einen Überschuss von 19 Milliarden Euro ausgewiesen haben. Die Sozialdemokraten dürften angesichts des neuen Geldsegens wenig von der Idee begeistert sein, den Milliardenüberschuss des Bundes komplett zur Schuldentilgung zu verwenden. Der SPD-Fraktionsvize Schneider kündigte an, die Beratungen zum Nachtragsetat sollten genutzt werden, um zusätzliche Investitionen auf den Weg zu bringen. Dazu gehörten auch Ausgaben zur Verbesserung der inneren Sicherheit. Das Finanzministerium argumentierte, die Ausgaben in diesem Bereich seien schon stark gestiegen.

Trotz der glänzenden Zahlen gibt es Wermutstropfen. Der Bund weist auch deshalb Überschüsse aus, weil Gelder aus Investitionsprogrammen nicht abgerufen wurden. Das macht ein Beispiel deutlich: Aus dem Fonds, der zur Förderung kommunaler Investitionen aufgelegt worden ist, sind im vergangenen Jahr gerade einmal 146 Millionen Euro abgerufen worden. Zur Verfügung standen 3,5 Milliarden Euro. Ähnliche Entwicklungen sind im Verkehrsetat zu verzeichnen. „Es gelingt nicht, Investitionen auf die Straße zu bringen“, hieß es in Regierungskreisen. Nun soll überlegt werden, wie die Planungen verbessert werden können.

Dass der Bund Schulden tilgt, kam in der Nachkriegsgeschichte selten vor. Allerdings führte die Bundesregierung schon 2014 Schulden zurück. Dies wurde damals von der Öffentlichkeit nur wenig beachtet. Vor zwei Jahren wurden 2,6 Milliarden Euro für ein Sondervermögen des Bundes zurückgezahlt. Dabei handelte es sich um den Investitions- und Tilgungsfonds, der in der Wirtschaftskrise 2008/09 aufgelegt wurde. Der Fonds weist Schulden von 19 Milliarden Euro aus. Mit dem Überschuss aus dem Jahr 2016 soll der Schuldenstand des Fonds weiter sinken.