Mit großer Selbstverständlichkeit bringen angehende Studierende ihre Eltern mit an die Hochschulen. Auch die Medienhochschule reagiert auf diesen Trend – und lädt die Erziehungsberechtigten gleich mit ein. Prorektor Mathias Hinkelmann erklärt, warum.

Stuttgart - Auch die Hochschule der Medien (HdM) kommt an gesellschaftlichen Entwicklungen nicht vorbei. Im Gegenteil: sie greift sie auf, zum Beispiel so: „Hilfe bei der Studienentscheidung: Infoabend für Schüler und Eltern“ – so ist eine Veranstaltung überschrieben, zu der die HdM für den 6. Juni Studieninteressierte einlädt – und zwar um 18 Uhr, damit auch berufstätige Eltern mitkommen können.

 

„Das Konzept kommt gut an“, sagt Susi Mannschreck von der Hochschulkommunikation der HdM. „Die Eltern wollen wissen, ob das Kind auch den richtigen Studienplatz findet.“ Das liege auch im Interesse der Hochschule: „Wir wollen, dass sich auch die Eltern informiert fühlen – und wir wollen, dass deren Kinder hier studieren.“ Auch auf Hochschulmessen seien die Eltern ein vertrautes Bild. „Sie stellen die meisten Fragen“, so Mannschreck. „Die interessieren sich oft mehr für die Studienangebote als ihre Kinder“.

Das Phänomen, dass Studieninteressierte in Begleitung ihrer Eltern die Hochschulen betreten, ist kein Einzelfall. Auch beim Studieninfotag, der ursprünglich für Schüler konzipiert war, kämen die Mamas und Papa s inzwischen oft mit. „Es liegt wohl daran, dass die Abiturienten immer jünger werden“, vermutet Mannschreck. „Die Studierenden müssen aber rausgeschubst werden aus dem Nest.“

Prorektor sieht vielfältige Motivlagen bei den Eltern

Mathias Hinkelmann, Prorektor für Lehre, ist „absolut überzeugt von den Infoabenden“. Die seien intern zwar zunächst als Elternabend verschrieen gewesen. „Aber der Begriff ist völlig irreführend, die Motivlage ist äußerst vielfältig“, sagt Hinkelmann. Er selbst differenziere die Eltern in ganz unterschiedliche Gruppen. Ja, es gebe sie, diese überfürsorglichen Helikoptereltern. Aber es gebe auch „Kumpel“-Eltern, die ein sehr offenes Verhältnis zum Nachwuchs pflegten, bei denen es üblich sei, Dinge gemeinsam zu besprechen, fast schon auf Augenhöhe. Und dann gebe es noch die sogenannten „Dätsch-mr-Eltern“. Als Beispiel für diese Gruppe liefert der Prorektor das Zitat eines Vaters beim Infoabend vor einem Jahr: „Meine Tochter hat mich beauftragt, hier noch ein paar Infos einzuholen, denn sie ist noch in Australien bei Work & Travel.“ Als vierte Elterngruppe macht Hinkelmann ehemalige HdM-Studenten aus, die aus alter Verbundenheit an ihre frühere Hochschule mitkommen. Es gebe aber auch Eltern, die als Taxi zur Hochschule fungierten, weil die Tochter noch keinen Führerschein hat. „Die Gründe sind also sehr vielfältig“, so der Prorektor.

Den 18-Uhr-Termin habe man keineswegs nur wegen der Eltern gewählt. „Viele junge Leute machen ein Freiwilliges Soziales Jahr oder arbeiten als Bufdi im Bundesfreiwilligendienst“, weiß Hinkelmann. Auch sie wolle man mit dem Termin erreichen, und nicht nur sie. „Zwischen dem Besuch des Studien-Infotages und der Aufnahme des Studiums liegen oft mehr als zwei Jahre.“

Da sei es „wichtig, den Beratungsbedarf noch mal zu bündeln, bevor es an die Bewerbung geht“, sagt Hinkelmann. Bei der Studienwahl spiele die Problematik der Helikopter-Eltern noch mal eine wesentliche Rolle. „Aber beim eigentlichen Studium tritt das schnell in den Hintergrund“, weiß der Professor für Datenbanken und Informationssysteme im Studiengang Medieninformatik. Dass Eltern bei Problemen vorstellig würden, komme nur in Ausnahmefällen vor – etwa wenn es um eine Exmatrikulation gehe, weil die Bewerberin die Zugangsvoraussetzungen für das Masterstudium nicht erfüllt oder eine Prüfung nicht bestanden habe. Da rufe dann schon mal der Vater an.

Zahl der minderjährigen Studierenden wird steigen

Studierende, die noch nicht volljährig sind, bereiteten kaum Probleme. Nur bei mehrtägigen Exkursionen bräuchten diese die Genehmigung der Eltern, außerdem seien die begleitenden Professoren in der Aufsichtspflicht. Bisher sei aber immer alles gut gegangen. „Ich lasse mir jedes Semester eine Liste mit Studierenden geben, die noch nicht 18 Jahre alt sind“, so der Prorektor. Und er kläre sie über die Besonderheiten auf. „Aktuell haben wir keine minderjährige Studierenden. Unsere jüngste Studentin ist Ende März 18 Jahre alt geworden.“ Die jüngste Studentin war bei Studienbeginn noch 16 Jahre alt und wurde wenige Wochen später 17. Wegen des früheren Einschulungskorridors rechnet Hinkelmann allerdings in zwei bis drei Jahren damit, dass die Zahl der minderjährigen Studenten nochmals steigt.

In der Wahrnehmung von Manuel Hodrius, dem Vorsitzenden der Verfassten Studierendenschaft an der HdM, spielen Eltern an der Hochschule keine Rolle. „Zumindest bei uns in der Studierendenschaft sind bisher noch keine Eltern aufgeschlagen, auch bei unseren Veranstaltungen für die Erstsemester nicht.“ Hodrius räumt zwar ein: „Bei der Studienwahl hat das Wort der Eltern mehr Gewicht als das der Studienberatung.“

Aber im Studienalltag spiegle sich das nicht. „Ich habe den Eindruck, dass die Studierenden recht schnell die Freiheit und Eigenständigkeit genießen, die das Studium mit sich bringt.“ Selbst bei den 17-Jährigen, so Hodrius, habe er nicht feststellen können, „dass die kindlicher sind“.