Pendler konfrontieren Vertreter der Bahn und des Landes mit ihren negativen Erfahrungen auf der Filstalbahn und lassen sich nicht so leicht mit Beschwichtigungsversuchen abspeisen.

Süßen - Nach den Maßstäben der Bahn hat die Veranstaltung nicht nur pünktlich, sondern sogar planmäßig begonnen, nämlich zwei Minuten nach 18.30 Uhr am Montag – auch wenn das bei dem Thema wohl kaum einer erwartet hatte und einige Zuhörer etwas später eintrudelten. „Die kommen wahrscheinlich mit der Bahn“, rief einer der Zuhörer. Es war nicht das letzte Mal, dass die Vertreter des Landes und der Bahn den Spott der versammelten mehr als 120 Pendler aushalten mussten. Die SPD-Landtagsabgeordneten Sascha Binder und Peter Hofelich hatten zu dem Bahn-Forum in die Zehntscheuer nach Süßen eingeladen, um über die massiven Schwierigkeiten auf der Filstalbahn zu diskutieren.

 

Die Pendler sind genervt, weil sich das Bahnangebot seit Oktober von einem Tag auf den anderen massiv verschlechtert hat. Denn zum ersten Oktober ist der Übergangsfahrplan in Kraft getreten, der die Zeit bis zum Start des Metropolexpress im Jahr 2019 überbrücken soll. Seither, so klagten sie, seien die Züge ständig zu spät, viele fielen ganz aus. Außerdem beschweren sich viele über schmutzige Züge, defekte Türen und Toiletten sowie überfüllte Waggons. Ein Pendler berichtete, er müsse bereits in Plochingen anfangen, sich durch die Menge zu quetschen, wenn er es in Esslingen aus dem Zug schaffen wolle.

„Ungleichbehandlung“ empört Bahnpendler

Was die Pendler besonders erbittert ist, dass Pendler mit Jahreskarte auf der Remstal- und der Frankenbahn, die ebenfalls mit Verspätungen kämpfen, von der Bahn einen Monatsbeitrag erstattet bekommen haben. Auf der Filstalbahn gab es hingegen eine Gutscheinaktion, bei der Passagiere Gutscheine im Wert von 40 Euro für Ausflugsziele wie die Wilhelma bekommen haben. „Ich will nicht in die Wilhelma, ich will pünktlich zur Arbeit“, empörte sich ein Zuhörer. Andere beschwerten sich über die „Ungleichbehandlung“ und forderten eine „richtige Entschädigung“.

Bei der Bahn und im Verkehrsministerium sind die Probleme bekannt. So begann der Konzernbevollmächtigte der Bahn für Baden-Württemberg, Sven Hantel, wohlweislich mit einer Entschuldigung an alle Bahnkunden im Filstal. Tatsächlich betrage die Pünktlichkeitsquote landesweit 93 Prozent, im Filstal liege sie hingegen nur bei 85 Prozent. Zusammen mit Martin Selig von der DB Regio skizzierte er die Schwierigkeiten, die aus Sicht der Bahn dazu geführt hätten und erklärte, wie sie nach und nach gelöst werden sollten.

Vertreter des Landes wehrt sich gegen den Vorwurf, schlecht geplant zu haben

Das Problem sei, dass die Filstalbahn eine „hochbelastete Strecke“ sei, auf der auch Fernverkehr und Güterverkehr unterwegs sei. Dadurch und wegen der nötigen Kehren in Stuttgart schaukelten sich Verspätungen im Nahverkehr sofort auf. „Als wäre das etwas Neues. Das hat sich doch nicht über Nacht geändert“, hielt ein Zuhörer dagegen. Der neue Nahverkehrsplan, den das Land bestellt habe, sei sehr ehrgeizig und knapp bemessen gewesen, fuhr Hantel fort. „Das Land hat den Fehler gemacht, ihn so zu bestellen, und wir haben den Fehler gemacht, ihn so anzunehmen.“

Das kam bei Karsten Klapheck vom Verkehrsministerium, der ebenfalls auf dem Podium saß, nicht gut an: „Die DB Netz hat gesagt, der Fahrplan ist so fahrbar“, entgegnete er. „Ich möchte der Aussage, dass das ein Planungsfehler des Landes war, entschieden widersprechen.“ Tatsächlich habe sich gezeigt, dass die Wagen der Bahn teilweise Fehler gehabt hätten und auch nicht so schnell gewesen seien wie geplant. Klapheck spielte damit darauf an, dass die Bahn im Filstal alte Fahrzeuge einsetzt, seit klar ist, dass sie die Strecke 2019 abgeben muss.

Die Pendler müssen bis Dezember wohl noch einiges aushalten

Um die Verspätungen in den Griff zu bekommen, wird die Bahn Hantel und Selig zufolge auf der Filstalbahn mehr Zugbegleiter einsetzen, um die Züge schneller zu füllen und die Halte auf den Bahnhöfen zu verkürzen. Den Pendlern entlockte das Hohngelächter. „Jetzt sind wir also schuld, weil wir zu langsam einsteigen“, rief einer. Andere wiesen daraufhin, dass man bei defekten Türen schlecht einsteigen könne.

Deswegen lässt die Bahn Selig zufolge seit kurzem sogenannte Unterwegs-Instandhalter mitfahren, die sich darum kümmern sollen, solche Probleme bereits auf der Strecke zu lösen. Außerdem fahren schon jetzt einige Züge etwas früher los, um mehr Puffer zu haben.

Weitere Verbesserungen soll es mit dem kleinen Fahrplanwechsel im Mai geben. Dann werden weitere Züge früher starten. Die entscheidenden Änderungen wird aber wohl erst der Fahrplanwechsel im Dezember ermöglichen. Dann soll unter anderem die bisherige Kehre in Stuttgart abgeschafft und der Fahrplan weiter überarbeitet werden.

Wenn die Pendler schon so lange auf Verbesserungen warten müssten, forderte der Verkehrsplaner des Landkreises, Jörg-Michael Wienecke, dann sollte das Land den neuen Fahrplan diesmal wenigstens frühzeitig mit dem Kreis und den Kommunen absprechen. Genau das sei nämlich beim letzten Fahrplanwechsel – entgegen der bisherigen Gepflogenheiten – nicht passiert. „Stattdessen wurden wir vor vollendete Tatsachen gestellt“, kritisierte Wienecke. Tatsächlich hätten die Experten vor Ort viele der Probleme, die man jetzt habe, vorhersagen können. Klapheck versprach, man werde diesmal auf eine bessere Abstimmung achten.