Bei dem Projekt „Schule als Staat“, das am Montag, 9. November, beginnt, wird das Evangelische Heidehof-Gymnasium in Stuttgart-Ost in USH umbenannt: United States of Heidehof. Vier Tage lang haben alle Schüler und Lehrer eine ganz bestimmte Rolle in dem neuen, kleinen Staat, egal ob Präsidentschaftskandidat, Bankangestellter, Zöllner oder Journalist.

S-Ost - Vor sechs Jahren ging es um die DDR, und das Projekt „Schule als Staat“ sorgte für viel Gesprächsstoff weit über das Stadtviertel hinaus. In diesem Jahr bereiten die Schülerinnen und Schüler des Evangelischen Heidehof-Gymnasiums erneut vier Projekttage vor. Diesmal soll mit den USA ein kapitalistisches System im Mittelpunkt stehen. Vom 9. bis zum 12. November hat die Schule einen neuen Namen: USH bedeutet „United States of Heidehof“. Das beinhaltet nicht nur Pfannkuchen zum Frühstück, sondern auch einen spannenden Präsidentschaftswahlkampf nach amerikanischem Vorbild und einen Superbowl zum Abschluss.

 

In dem Projekt sind Schüler und Lehrer gleichberechtigt

„Schule als Staat“ ist ein Projekt, das Schüler und Lehrer zu Gleichberechtigten macht und kein geringes Maß an Verantwortungsgefühl und Engagement von den Jugendlichen fordert. Sie geben sich eine eigene Verfassung, gründen Firmen, Behörden und Ministerien, führen eine eigene Währung ein und üben sich in Politik. „Wir wollten das noch einmal machen, um unsere Erfahrungen an die Jüngeren weiterzugeben“, sagt Tane Frizlen, Schülerin der Oberstufe, die das DDR-Projekt damals als wegweisend empfunden hat. Gemeinsam mit Florens Rilling, Victoria Scheuber, Marlene Klann und Christian Frank arbeitet sie im Leitungsteam mit und wünscht sich, auch Jüngere für „Schule als Staat“ zu begeistern. Ob eine Schule Projekttage wie diese stemmt, hängt immer auch vom Engagement der Schülervertreter ab.

Unterstützung bekommen die fünf Organisatoren von der Verbindungslehrerin Lena Reitz, ihrem Kollegen Moritz Heger und fünf weiteren Lehrern, doch die Hauptarbeit liegt bei den jungen Leuten selbst. Für die Feinarbeit ist eine etwa 20-köpfige Projektgruppe zuständig, in der auch Schüler der unteren Klassen mitarbeiten. Der Bezirksbeirat Ost fördert das Vorhaben mit 500 Euro.

Jeder Schüler und Lehrer hat eine Rolle und Arbeit

Vor allem Eltern jüngerer Schüler äußern manchmal Bedenken, wenn der geregelte Schulalltag zum Spiel wird. Schwänzen ist aber auch hier nicht erlaubt: Von 8 bis 15 Uhr ist Anwesenheitspflicht. Doch der Lerneffekt, so finden die Betreuer, ist beträchtlich. Durch das stufenübergreifende Vorhaben wird die Schulgemeinschaft gestärkt. Und das Verständnis für Politik wird spielerisch geweckt. „Uns ist die Verknüpfung von politischen Systemen mit der alltäglichen Wirklichkeit wichtig“, erklärt dazu Moritz Heger. So bekommen die 650 Schüler und mehr als 50 Lehrer alle eine zufällig ausgewählte Rollenkarte zugeteilt, auf der ihre Herkunft, ihr finanzieller Hintergrund und ihr Bildungsstand für die vier Projekttage festgelegt sind. Dabei wird deutlich, wie weit die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderklaffen kann.

Bei der Verteilung der Karten wird allerdings darauf geachtet, dass kein Fünftklässler als illegaler Migrant eingeteilt ist, denn die Schule wird von einer regelrechten Grenze umgeben sein. Es wird Schleuser und Grenzschützer geben. „Das machen natürlich mehr die Älteren“, sagt Marlene Klann, die ein Wochenende lang von morgens bis spät in die Nacht die Rollenkarten vorbereitet hat. Jobkarten werden dagegen von den Lehrkräften in den Klassen vergeben, denn im Gegensatz zur eigenen Rolle können die Arbeitsstellen nach einem Tag gewechselt werden.

Präsidentschaftswahl und Superbowl

„Die Waffel zum Frühstück ist natürlich ein Anreiz für die Jüngeren“, sagt Victoria Scheuber, die festgestellt hat, dass gut die Hälfte der Firmen etwas Kulinarisches anbieten wollen. Zusätzlich sorgt ein Elternteam in einer Feldküche für ein warmes Mittagessen für alle Protagonisten.

Ein wesentlicher Aspekt wird aber der Präsidentschaftswahlkampf der ersten zwei Tage sein. Am Mittwoch werden die Wahlmänner der 20 Staaten gewählt, in die das Vorbereitungsteam die United States of Heidehof unterteilt hat. Dabei gibt es wie in den USA nur zwei Parteien: die „Heidler“ und die „Höfler“. „Beim Wahlkampf geht es um Ernährungs- oder Umweltfragen, aber auch um ein typisch amerikanisches Thema wie Waffenkontrolle“, erläutert Florens Rilling. Und es wird eine Debatte der Präsidentschaftskandidaten in der Aula geben.

„Mit einem Basketball-Superbowl feiern wir dann am Donnerstag die Wahl des Präsidenten“, kündigt Marlene Klann an, „so ist das gesellschaftliche Leben auch vertreten, denn die Sportler gehören natürlich zur High Society.“

Das alles klingt spannend und ist weit mehr als der übliche Tag der offenen Tür. Daher hoffen die Schüler auf viele Touristen in Form von Verwandten und Schülern anderer Schulen, die von Dienstagvormittag an dabei sein dürfen.