Die Stiftung des Lidl-Gründers Schwarz fördert die Duale Hochschule in Heilbronn. Das nutzt auch seinen Firmen. Neben Lob erntet er zusehends Misstrauen, weil es an Transparenz fehlt. Nun wird sogar wegendes Verdachts auf Korruption ermittelt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart/Heilbronn - Sein berufliches Doppelleben hängt Markus Schwarzer nicht gerade an die große Glocke. Einerseits unterrichtet der promovierte Jurist an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Stuttgart. Als Professor ist er dort für Lehraufgaben im Studiengang Betriebswirtschaftslehre/Dienstleistungsmanagement zuständig. Andererseits arbeitet er für die Stiftung des Lidl-Gründers Dieter Schwarz in Heilbronn-Neckarsulm; als Pressesprecher beantwortet er dort Anfragen der Medien. Seinen Professoren-Titel – und damit einen Hinweis auf den Hauptjob bei der DHBW – sucht man auf der Homepage der Stiftung vergebens. Umgekehrt wird in Schwarzers Lebenslauf für die Duale Hochschule die Nebentätigkeit als Stiftungssprecher nirgendwo erwähnt.

 

Publik wurde die Doppelrolle trotzdem – und schürte prompt zusätzliches Misstrauen. Denn die Verquickung zwischen der Dualen Hochschule und der Dieter-Schwarz-Stiftung wird ohnehin kritisch beäugt. Seit der einstige DHBW-Präsident Reinhold Geilsdörfer Anfang 2016 nahtlos als Geschäftsführer zur Stiftung wechselte, beschäftigt sie sogar die Staatsanwaltschaft Heilbronn: Aufgrund der Strafanzeige eines DHBW-Professors ermittelt sie nach einigen Wirren gegen Geilsdörfer wegen Bestechlichkeit und nicht benannte Verantwortliche der Stiftung wegen Bestechung; vorige Woche gab es eine Razzia in Privat- und Geschäftsräumen.

Will Schwarz nur etwas Gutes für seine Heimatstadt tun?

Hintergrund des Verdachts ist Geilsdörfers Einsatz für den Ausbau des DHBW-Standorts Heilbronn. Dort wurde 2010 zunächst eine Außenstelle von Mosbach etabliert, die 2014 zur eigenständigen Studienakademie avancierte. Möglich war das nur dank der finanziellen Hilfe der Schwarz-Stiftung. Ohne deren „beispielgebendes Engagement“ hätte „das Projekt so nicht verwirklicht werden können“, lobte der damalige Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) beim Start des Studienbetriebs. Ihre Unterstützung hat die Stiftung seither noch ausgeweitet, etwa für eine zentrale Mastereinrichtung in Heilbronn. Entsprechend wuchs die Dankbarkeit der Politik. Es handele sich um „Mäzenatentum der allerfeinsten Sorte“, bekundete etwa Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Doch das Engagement der Stiftung und ihre Motive dafür stoßen DHBW-intern seit Jahren auch auf Argwohn. Wolle der 76-jährige Dieter Schwarz wirklich nur selbstlos etwas Gutes für seine Heimatstadt tun?, fragen Kritiker. Oder gehe es nicht ebenso um das Interesse seiner Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), eine „Kaderschmiede für die Lebensmittelbranche“ – so die Selbsteinschätzung – vor der Haustür zu haben? Könne sich ein Milliardär gleichsam eine staatliche Hochschule kaufen?

Befördert wird das Misstrauen durch die geringe Transparenz. Selbst innerhalb der DHBW ist nur einem kleinen Kreis von Eingeweihten bekannt, wie viel Geld die Stiftung bereitstellt. In einer Übersicht wurde unlängst für alle acht anderen Akademien die Kluft zwischen Finanzbedarf und zur Verfügung stehenden Mitteln ausgewiesen. Wie stets fehlte nur Heilbronn, das dank Schwarz weitaus besser ausgestattet ist. So konnten nur Mutmaßungen über die „Zweiklassengesellschaft“ mit und ohne private Förderung angestellt werden.

Auf einen Antrag unserer Zeitung nach dem Gesetz zur Informationsfreiheit wurden jetzt zwar zwei Verträge aus dem Jahr 2014 offengelegt (siehe unterer Text). Sie ergänzen den Ausgangskontrakt von 2010, unterzeichnet wurden sie vom Ex-DHBW-Präsidenten Geilsdörfer, seinem Vorgänger als Geschäftsführer der Stiftung und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Die entscheidenden Angaben darin aber sind geschwärzt: nämlich die Höhe der Förderbeträge, die die Schwarz-Stiftung nach Abruf durch die Hochschule an die Landesoberkasse überweist. So lässt sich nicht ersehen, in welchem Verhältnis Heilbronn staatlich und privat finanziert wird – und wie groß mithin die Abhängigkeit vom Stifter ist.

Ministerin Bauer lobte die Stiftung

Deutlich wird immerhin, dass die Hochschule auch künftig auf dessen Wohlwollen angewiesen sein könnte. Die zentrale Mastereinrichtung etwa soll sich bis 2020 zwar komplett selbst tragen, wesentlich durch Gebühren. Gelingt das nicht, sind schon jetzt „Verhandlungen mit dem Ziel der Fortsetzung der Mitfinanzierung“ vereinbart. Die Gesamtförderung für den Campus Heilbronn soll laut den Verträgen sogar bis 2025 laufen – „mindestens“. Auch hier scheint eine Verlängerung also angedacht. Die Sorge von Kritikern, dass Schwarz damit Druck ausüben könnte, teilt Ministerin Bauer nicht. Es verdiene „höchste Anerkennung“, lobte sie einmal, dass die Stiftung „stets die wissenschaftliche Unabhängigkeit der Hochschulen respektiere“ und keinen Einfluss auf interne Angelegenheiten nehme.

Inwieweit die Förderung auch den Interessen der Schwarz-Gruppe dient – die Antwort darauf überließ die Stiftung der Dualen Hochschule. Die Unternehmen profitierten wie alle „dualen Partner“ vom praxisintegrierenden Studium, sagte eine DHBW-Sprecherin. Wie bei diesen werde ein hoher Anteil der Absolventen anschließend übernommen – einer der Erfolgsfaktoren der Dualen Hochschule. Die Angebote etwa in den Bereichen Konsumgüterhandel oder Foodmanagement stünden nicht nur Lidl oder Kaufland, sondern sämtlichen interessierten Partnern offen; viele andere Firmen nutzten dies.

Wie viele der Heilbronner Studenten der Schwarz-Gruppe entstammten, dürfe man aus Datenschutzgründen nicht verraten; es seien aber weitaus weniger als die öfter geschätzten 75 Prozent. Unlängst bat der Konzern seine DHBW-Studenten mal wieder zu einer ganztägigen Veranstaltung: erst gab es „viele exklusive Informationen“ von Führungskräften, abends grillte man dann gemeinsam. Ob angesichts der Nähe auch kritische Analysen der Lebensmittelbranche möglich seien? Aber ja doch, versichert die Sprecherin, die Freiheit von Forschung und Lehre gelte wie überall.Master-Studierende aus der Region Stuttgart beschwerten sich dieser Tage freilich bei Ministerin Bauer, dass sie wegen der Verträge mit der Schwarz-Stiftung eigens nach Heilbronn fahren müssten – eine unzumutbare Belastung. So wichtig Förderer auch seien, Land und DHBW dürften ihr Handeln nicht „von Geldzahlungen von Dritten“ bestimmen lassen. Vertraglich sei geregelt, dass die Hälfte der Veranstaltungen „aus organisatorischen Gründen“ in Heilbronn stattfinde, bestätigte eine DHBW-Sprecherin; eine solche Bündelung sei „sehr sinnvoll“.

Auch die Frage zum Pressesprecher mit der Doppelrolle beantwortete übrigens die Hochschule. Es gebe „keinen Zusammenhang“ zwischen seiner Berufung zum DHBW-Professor und der Tätigkeit für die Stiftung. Vielmehr habe man durch Auflagen Vorsorge getroffen, dass Schwarzer „strikt“ zwischen der Haupt- und der Nebenaufgabe trenne. Der Sprecher selbst ergänzte lediglich, man schließe sich den Ausführungen „vollumfänglich an“.