Der Zeitplan ist knapp bemessen für das Quartier Neckarbogen in Heilbronn: Baubeginn ist 2016, deutlich vor der Bundesgartenschau 2019 sollen die Häuser stehen. Die Entwürfe haben viele Besucher angezogen.

Heilbronn - Die Heilbronner haben großes Interesse an der Entwicklung ihrer Stadt. Jüngstes Beispiel: 3000 Bürger wollten sich anschauen, was sich Architekten für den neuen Stadtteil Neckarbogen einfallen ließen. Was sie zu sehen bekamen, fand (laut Gästebuch) große Zustimmung, nur wenige Einträge lauten so wie dieser: „Chance vertan!“ Selbst Architekten, deren Entwürfe nicht zum Zuge kamen, hätten die letztlich ausgewählten Projekte gelobt, hieß es bei Buga GmbH, die auch das Neckarbogen-Projekt betreut.

 

Jetzt müssen die Siegerentwürfe in Phase zwei den Realitätscheck erfüllen. Und manche von ihnen werden noch nachgebessert oder den Grundvoraussetzungen aus dem Gestaltungshandbuches angepasst – sonst drohen Strafen. Die Grundstücke werden erst verkauft, wenn die Erfüllung aller Parameter sichergestellt ist. Sollte das wegen des Zeitdrucks nicht möglich sein – der erste Bauabschnitt muss wegen der Bundesgartenschau schon 2018 fertig sein –, bleiben die Grundstücke vorläufig unbebaut. Stadtverwaltung, Gemeinderat und Buga GmbH machen deutlich, dass sie konkrete Vorstellungen haben und diese auch verwirklicht sehen wollen. So hat der ausgewählte Entwurf von Wittfoth-Architekten (Investor ist Wüstenrot) noch vier weitere auf die vorgeschlagenen sechs Stockwerke verordnet bekommen – kein einfaches Unterfangen bei einem Holzbau.

Viele Möglichkeiten für die Investoren

Dass die Würfel gefallen sind, kann man auch wörtlich nehmen. Der quadratische Kubus ist das beherrschende Gestaltungselement, entsprechend winkelig sind die Innenhöfe und Quartiere. Das wird bereits kritisiert. Es dürfte spannend werden, ob es gelingt, aus den Einzelprojekten ein Ensemble werden zu lassen. Die Investoren haben durchweg renommierte Architekturbüros beschäftigt, darunter auffallend viele aus Stuttgart. Unmut hat in der Heilbronner Architektenschaft hervorgerufen, dass sie sich nur mit einem Entwurf an dem Verfahren beteiligen konnten, Investoren aber beliebig oft.

Buga-Geschäftsführer Hanspeter Faas thematisiert schon lange nicht mehr die einst auch von der Verwaltung und dem Gemeinderat gehätschelten Visionen von wirklich zukunftsweisenden Formen des Bauens und Wohnens. Was im Neckarbogen umgesetzt werden wird, entspricht dem Zeitgeist, ist andernorts bereits Standard. Höchstens zwei oder drei der Bauvorhaben versprechen ein architektonisches Aha-Erlebnis. Insgesamt werden 40 000 Quadratmeter Wohnfläche auf einer relativ kleinen Teilfläche des neuen Stadtteils geschaffen. Für den Juli 2016 ist der Baubeginn angesetzt.

Bewertungskommission renommiert besetzt

Etliche Heilbronner Architekten beklagen, dass es keinen Wettbewerb, sondern eben nur ein Auswahlverfahren gegeben hat. Das sieht man bei der Buga, der Stadt und im Gemeinderat anders. Hier wollte man von Anfang an die entscheidende gestalterische Kraft sein und wählte deshalb das auf Investoren ausgerichtete Vorgehen. Nun hat man Investoren-Architektur bekommen. Die finanzielle Größenordnung des hier privat eingesetzten Kapitals ist beeindruckend: Es geht um 100 Millionen Euro. Nicht alle Heilbronner finden es gut, dass der größte Bauinvestor der Stadt gleich mit mehreren Projekten zum Zuge kommt. Das Bewertungsgremium verweist auf die bei ihm umfassend ausgelegten Ökostandards, zu denen auch das Stuttgarter Fraunhofer-Institut beigetragen hat.

In der Bewertungskommission waren renommierte Namen aus Deutschland vertreten, deren Schwerpunkt liegt aber eindeutig mehr im Städteplanerischen als in der Architektur. Architekt Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur in Potsdam, Vorsitzender der Bewertungskommission, lobt die Komplexität der Entwürfe auch im Hinblick auf Energetik und ökologische Vorgaben und die Stadt Heilbronn ebenso: So eine Entwicklung wie am Neckarbogen habe in Deutschland noch niemand geschafft.