Im Wohlstand und in Sicherheit scheint die Familie des erfolgreichen Seong- soo zu leben. Bis dem Mann der Verdacht kommt, sein verschwundener Bruder stelle ihm und seinen Lieben nach. Dann fällt in diesem südkoreanischen Nervenfetzer von Jung Huh alles auseinander.

Stuttgart - Eine junge Frau läuft nachts durch ein nicht eben feines Viertel nach Hause. Mit der Anmache durch Besoffene wird sie noch fertig, aber als sie dann in ihrem heruntergekommenen Vielfamilienhaus einem schwarz gekleideten Typen mit Motorradhelm begegnet, der hinter seinem blickdichten Visier hervor bedrohlich stiert und schweigt, wird sie nervös. Was man gut nachvollziehen kann: vom Fleck weg zeigt der südkoreanische Regisseur Jung Huh, dass er alltägliche urbane Bedrohungssituationen inszenieren und bis knapp an den Umkipppunkt ins Absurde überspitzen kann.

 

Die junge Mieterin wird sich gleich durch Privaträume bewegen, die wir nicht mehr für sicher halten. Tatsächlich wird der Rückzugsraum verletzt, aber der Schnitt überlässt es zunächst unserer Phantasie, was nun geschehen könnte. Jung Huh führt uns an einen ganz anderen Ort, ins solide Mittelklassezuhause von Seong-soo (Hyeon-ju Son): ein sicheres Nest, wie es scheint, voller Komfort und mit einem Wachmann und einer Schranke an der Zufahrt.

Was auch die Ehefrau des psychisch keinesfalls ganz stabilen Mannes nicht weiß: es gibt da noch einen Bruder und düstere Familiengeheimnisse. Seong-soo muss in jene Arme-Leute-Siedlung, die wir vom Filmbeginn kennen, weil er die Wohnung des verschwundenen Bruders auflösen soll. Unruhig, gequält, zwischen Panik und Schuldattacken fantasiert Seong-soo, der Verschwundene verstecke sich nur, lauere im Dunkeln, um ihm und seiner Familie zu schaden.

Das Zuhause wird belagert

Was Jung Huh in der Folge inszeniert, wird zwar zunehmend schrill, borgt sich Atmosphäre und Motive beim Horrorfilm (ohne Übernatürliches zuzulassen) und hat in manchen Momenten ziemliche Schwierigkeiten, zu erklären, warum nicht einfach die Polizei zu Hilfe geholt wird. Aber die psychotische Energie, die Klaustrophobie und Panik sind so stark, dass wir gerne mitspielen. gewiss, es geht um das allen vertraute mulmige Gefühl, dass die Stadt keine wirklich sicheren Räume mehr bietet, dass selbst das Zuhause ein unablässig belagerter Ort ist, auch wenn die Belagerer sich dem Blick entziehen.

Aber das Aufeinandergepferchtsein, die Brudermordfantasien, das Gefühl, mit einem falschen Schritt in ein ganz anderes Land zu geraten, sind in einem Film aus Südkorea mit seiner politischen Daueranspannung noch einmal ganz anders aufgeladen als in einem europäischen oder amerikanischen Thriller. Weil das immer makellos fotografiert und beherrscht gespielt ist, bleibt es beklemmend bis zum Schluss: ein Film für Leute, die sich gerne selbst das Einschlafen schwer machen.

Hide and seek. Edel Motion DVD/Blu-ray. Südkorea 2013. Regie: Jung Huh. Mit Hyeon-ju Son, Jung-hee Moon. 104 Minuten. Ab 16 Jahren.