Ein privater Entwickler möchte eine Versuchsanlage für Windkraft bauen, an der nördlichen Grenze von Merklingen. Die Ratsleute der Schleglerstadt halten davon gar nichts. Der Planer Bernhard Miller versteht die Aufregung nicht.

Heimsheim/Weil der Stadt - Für viel Aufsehen und Diskussionsstoff hat im Heimsheimer Gemeinderat der Plan eines Entwicklers aus Münklingen gesorgt, für begrenzte Zeit eine Versuchsanlage für Windenergiegewinnung an der Grenze zu Heimsheim zu errichten. Da die Fläche auf Merklinger Gebiet liegt, wird Weil der Stadt darüber entscheiden. Wegen der Nähe zur Grenze wurde die Verwaltung der Schleglerstadt im Vorfeld jedoch angeschrieben, damit sie Stellung nehmen kann. Denn Windkraft ist dort ein heikles Thema, seit der Merklinger Wald zur potenziellen Vorrangfläche für Windräder auserkoren wurde. Wie zu erwarten, kochten die Emotionen in der Sitzung schnell hoch. Derjenige, der viele der offenen Fragen hätte beantworten können, nämlich der Entwickler Bernhard Miller, kam nicht zu Wort.

 

Zunächst: das Projekt hat nichts mit den Plänen für den Merklinger Wald zu tun. Für die Politiker bildete das Thema trotzdem ein rotes Tuch. „Meine Frage wäre: Warum geht das immer direkt an die Markungsgrenzen?“, warf Martin Häcker (Bürger für Heimsheim) die Frage in den Raum. Es gebe doch sicher auch viele andere Standorte, an denen so etwas umsetzbar wäre. Auch in Sachen Artenschutz und Geräuschentwicklung seien ihm noch zu viele Fragen offen. Die Beiträge der übrigen Politiker gestalteten sich ähnlich, viele äußerten Bedenken wegen des möglichen Lärms und der Höhe der Anlage. Walter Müller (Freie Wählervereinigung) bewegte zudem die Frage, ob sich das Ganze zu einer dauerhaften Einrichtung entwickeln könnte.

Entwickler darf sich nicht äußern

Allein Walter Gommel (Unabhängige Wählervereinigung) brach eine Lanze für die Entwicklung in Sachen erneuerbare Energien. Wenn er sich auch mit dem Standort nicht glücklich zeigte, zumindest sollte man nicht gleich bei allem, was komme, sofort gegenargumentieren, wandte er ein. Trotzdem stimmte der Rat mit großer Mehrheit dafür, eine ablehnende Haltung zu dem Projekt einzunehmen. Auch der Bürgermeister Jürgen Troll sprach sich klar gegen die Pläne aus.

Reichlich kurios entwickelte sich die Situation, als der Entwickler Bernhard Miller, der auf Einladung der Stadtverwaltung erst gekommen war, um gegebenenfalls Fragen beantworten zu können, mehrfach darum bat, ebendies tun zu können. Jürgen Troll unterbrach ihn sofort. Und da niemand den Antrag stellte, die Sitzung kurz zu unterbrechen, blieb es bei dem Angebot. Denn Beiträge von Zuhörern sind in Ratssitzungen nur gestattet, wenn der Rat seine Zustimmung gibt. Jürgen Troll bat ihn daraufhin, den Saal zu verlassen, wenn er sich nicht daran halten könne.

Entsprechend ungehalten zeigte sich der Techniker aus Weil der Stadt im Anschluss an die Sitzung. „Viele Punkte hätte ich direkt aufklären können“, erklärte er im Gespräch mit unserer Zeitung. „Selbstverständlich handelt es sich dabei nicht um eine dauerhafte Einrichtung“, betonte Miller. „Wir werden nicht mal ans Netz angeschlossen, das Ganze ist sogar innerhalb einer Stunde abgebaut.“ Bei der Anlage handelt es sich um eine kleine Version eines Höhenwindrads, das ähnlich wie ein Drachen funktioniert. Ein Flügelrad, an Seilen befestigt, wird vom Wind getragen, wodurch Strom erzeugt wird (siehe Kasten). Der Versuch vor Ort soll die Funktionsfähigkeit der Anlage unter unterschiedlichen Windbedingungen demonstrieren.

Weil der Stadt diskutiert am 12. Oktober

Der Lärm sei selbst bei fertigen Anlagen, die weit größer seien und aus mehreren Flügelrädern bestehen, viel geringer als bei klassischen Windkraftanlagen, da die rotierenden Flügel zum einen viel weiter oben schwebten und zum anderen viel kleiner seien. „Wir arbeiten bei dem Versuch mit einem Flügelrad von zehn Metern Durchmesser, bei den großen Anlagen sind es circa 45 Meter.“ Zum Vergleich: die Rotorblätter der bekannten Windräder hätten Längen von bis zu 90 Metern, was einen Durchmesser von 180 Metern bedeute.

Was die Gefahren für Vögel angeht: „Bei den klassischen Windkraftanlagen entsteht Wärme in den Generatoren, was Insekten anlockt – die wiederum die Vögel anlocken.“ Viele der Tiere würden dann durch die rotierenden Blätter umkommen. Bei den Höhenwindrädern befänden sich die Generatoren am Boden, während sich die Flügelräder hoch oben in der Luft befänden und selbst auch keine Wärme entwickelten, „da besteht also wenig Gefahr“. Trotzdem seien die im Rat genannten Gutachten rund um Artenschutz und Umwelt bereits eingeplant.

Als Standort hat Miller eine Wiesenfläche zwischen Merklingen und Heimsheim gewählt, etwa 600 Meter südlich des Trafohäuschens an der Hausener Straße. Er habe viel in der Nähe gesucht, „aber keine andere Fläche ist in Frage gekommen“. Der Antrag liegt derweil bei der Weiler Verwaltung auf dem Tisch. Dort betrachtet man das Ganze einigermaßen unaufgeregt, zumal es sich um eine kleinere Anlage handele, „die auch nur stundenweise in Betrieb ist“, erklärte Stadtbauamtsleiter Arnd Jocher. Die Nutzungsdauer sei zudem begrenzt, dem Antrag zufolge auf etwa ein halbes Jahr. Eine komplette Anlage, die auf diesem Prinzip beruhe und um ein Vielfaches größer sei, könne an diesem Standort ohnehin nicht platziert werden. „Wir haben jetzt mit der Fachbehördenanhörung gestartet“, so Jocher. Am Mittwoch, 12. Oktober, geht das Thema in den Technischen Ausschuss in Weil der Stadt.

So funktioniert’s

Höhenwindräder:
Vereinfacht gesagt, funktionieren die Höhenwindräder ähnlich wie ein Herbst-Drachen, erklärt Bernhard Miller. Ein Flügelrad, das in der Luft rotieren kann, wird an zwei Seilwinden befestigt. Ein Propeller bringt es nach oben, dann schaltet sich der Motor ab, und das Flügelrad wird vom Wind weitergetragen. Ab einer gewissen Höhe sinkt das Rad wieder ab, bis der Wind es wieder hochträgt – quasi wie bei einem Jojo. Bei fertigen Anlagen „wandert“ das Flügelrad zwischen 200 und 400 Höhenmetern, bei der Versuchsanlage geht es um 50 bis 100 Meter. Die Seile bleiben dabei durchgehend gespannt. Sinkt der Flügel, werden sie automatisch eingeholt.

Energie
: Der Strom entsteht, anders als bei klassischen Windrädern, nicht durch die Rotation der Flügel, sondern durch die Zugkraft am Seil. Die Generatoren befinden sich am Boden. Da in größeren Höhen grundsätzlich starker Wind herrscht, lässt sich mit solchen Anlagen, so die Idee, auch in sonst windschwachen Gebieten viel Energie erzeugen.

Im Vergleich
: Als wesentliche Vorteile der neuen Anlagen gegenüber den klassischen Windkraftanlagen nennt Miller unter anderem die weit geringeren Kosten, wodurch sie auch ohne Bezuschussung vom Staat wirtschaftlich arbeiten könnten, einen schnellen und unkomplizierten Auf- und Abbau, weniger Flächenverbrauch und Eingriffe in die Landschaft sowie die Standortunabhängigkeit.