Heiner Geißler über Gespräche hinter verschlossenen Türen im Rathaus und die Lernfähigkeit der Bahn.

Stuttgart - Legt er nach den aufreibenden Wochen in Stuttgart nun die Füße hoch? Nein, Heiner Geißler fliegt von einem TV-Termin zum nächsten, er ist als Redner bei Vorträgen gebucht und will auch noch ein Buch beenden. Im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung zieht der 80-Jährige eine Bilanz der Schlichtung und sagt, was er der Bahn empfiehlt, falls demnächst die Bauarbeiten fortgesetzt werden sollten.

Herr Geißler, Sie haben beim Schlichterspruch für Stuttgart 21 plus in erster Linie juristische Gründe angeführt. Die waren schon vor dem Beginn des Verfahrens bekannt. Stand Ihr Grundsatzurteil also von Anfang an fest?


Natürlich nicht. Es war von Anfang an alles offen und möglich. Stuttgart 21 war nach der Abwägung der bestehenden Möglichkeiten für mich der realistischere Vorschlag. K21 ist ebenfalls ein attraktiver Vorschlag gewesen. Aber Stuttgart 21 ist durchgeplant und realisierbar. Das konnte man von K21 nicht sagen. Also konnte ich dafür nicht stimmen - und ich konnte auch keinen dritten Bahnhof erfinden.

Am Dienstag haben Sie vor Ihrem abschließenden Votum vier Stunden lang hinter verschlossenen Türen mit Gegnern und Befürwortern verhandelt. Welche Ihrer Vorschläge konnten Sie schnell durchsetzen, und wo waren die größten Hürden?


Es gab ein relativ schnelles Einverständnis bei der Frage nach der Stiftung für die Grundstücke, die der Stadt Stuttgart gehören. Wir konnten auch relativ zügig vereinbaren, dass im Schlossgarten keine weiteren Bäume mehr abgesägt werden.

Damit war die Bahn schnell einverstanden?


Ja. Bei meinen anderen Vorschlägen hat es wesentlich länger gedauert, bis wir uns einig wurden - etwa bei der Gäubahn oder auch bei der Frage der Sicherheit und Kundenfreundlichkeit im geplanten Tiefbahnhof. Am schwersten fiel der Kompromiss bei meinen Vorschlägen für die Streckenführung.

Da haben Ihnen Herr Kefer und Herr Grube wohl unmissverständlich klargemacht, dass zusätzliche Gleise aus Sicht der Bahn zu teuer sind.


Ich kann nicht die Details der Interna erzählen. Aber die Bahn hat natürlich an die Kosten gedacht, das stimmt schon. Den Gegnern wiederum ging es darum, dass es nicht bei unverbindlichen Zusagen bleibt. Beides musste ich auf einen Nenner bringen. Die entscheidende Lösung war der Stresstest. Die Bahn verpflichtet sich, Konsequenzen aus ihm zu ziehen.

Tanja Gönner scheint das Ergebnis des Stresstests bereits vorher zu kennen - sie sagt, auf die zusätzlichen Gleise könne man verzichten.


Nein, das hat sie so nicht gesagt. Sie hat erklärt, dass der Bau des neunten und zehnten Gleises vom Ausgang des Stresstests abhängt. Sie vermutet oder glaubt aber, dass dieser den Bau weiterer Gleise nicht notwendig machen wird. Wenn doch, dann muss der Glaube der Realität weichen. Die Bahn wird die notwendigen Baumaßnahmen durchführen, damit die Kapazität des Tiefbahnhofs wirklich um 30 Prozent gesteigert wird. Damit in der Spitzenstunde statt heute 37 dann 47 Züge pro Stunde fahren können.