Folgen auf die Wahl Donald Trumps nun die nächsten Erfolge populistischer Politiker? Der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller hält zivilgesellschaftliches Engagement und die Verweigerung der Gefolgschaft durch konservative Eliten für wichtige Mittel der Gegenwehr.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Wie definiert man Heimat und wer hat die Deutungshoheit darüber? Was versteht man unter dem Begriff Volk und sollte man auf ihn im politischen Diskurs besser verzichten? Das waren einige der Fragen, die am Samstag bei der Jahrestagung der Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg diskutiert wurden. Die Bilder der Amtseinführung Donald Trumps vor Augen ging es um die über allen Diskussionen stehende Frage, was man „den Angriffen der Populisten auf die offene Gesellschaft“, entgegensetzen könne, wie es Stiftungschefin Heike Schiller in ihrer Eröffnungsrede formulierte. „Die Deutungshoheit, was Demokratie und Heimat seien, so sagte es die Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne), „dürfen wir nicht den Rechten überlassen“. Denn als Drohung stehen Brexit, die Wahl Donald Trumps, die bevorstehenden Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und in Deutschland und der stetige Rückbau der Demokratie in Polen, Ungarn und der Türkei allen vor Augen. Und so bewegte die Teilnehmer die Frage: Lässt sich die Entwicklung stoppen?

 

Das Volk sind die, die Trump dazu erklärt

Die Analyse lieferte der Politikwissenschaftler und Populismusforscher Jan-Werner Müller. Er erklärte, welche Theorie und welches Politikverständnis sich etwa hinter den Worten Donald Trumps verberge, das Volk habe die Macht vom Establishment zurückerobert. Nicht jeder, der sich gegen die Mächtigen stelle, sei Populist, unterscheidet Müller, der mehrere Bücher zum Thema geschrieben hat und an der Princeton-Universität Politische Theorie und Ideengeschichte lehrt. Zum Populismus wird Opposition dann, wenn sie einen moralischen Alleinvertretungsanspruch für ihre Sicht erhebe. So würden alle Mitbewerber um die Macht für illegitim erklärt, indem man sie für korrupt erkläre oder ihnen die charakterliche Eignung abspreche. Damit einher gehe die Definition, wer Teil des Volkes sei. Dazu komme die Absage an den Pluralismus, einer Gesellschaft also, die unterschiedliche politische Meinungen und Lebensentwürfe zulasse. Alle, die damit nicht übereinstimmten, seien nicht Teil des Volkes. „Das ist nicht nur autoritär, das ist auch antidemokratisch“, urteilt Müller. Es sei ein Missverständnis zu glauben, dass der Populismus wirklich auf das Volk höre und im Amt gebremst werde. Was nach der Wahl folge, sei die Aneignung des Staates, Kontrollinstanzen wie die Verfassungsgerichte werden in ihrem Einfluss gebremst. Wie schnell ein antipluralistischer Führungsstil installiert werde, zeigen die Beispiele Recep Tayyip Erdogans (Türkei), Viktor Orban (Ungarn) und Jaroslaw Kaczynski (Polen).

Mehr Übung im Dialog über Demokratie ist nötig

Was also tun? Müller verwies auf Österreich, wo der Einzug des Populisten Norbert Hofer (FPÖ) in das Amt des Bundespräsidenten zum einen durch ein enormes zivilgesellschaftliches Engagement – wenn auch nur knapp – verhindert worden sei. Zum anderen hätten viele konservative Politiker Hofer für nicht wählbar erklärt. Anders sei es in den USA gewesen. 90 Prozent der Republikaner hätten Trump gewählt. Viele Wähler seien ihrer Partei gefolgt. Müllers Fazit: „Die Kooperation der konservativen Eliten ist entscheidend.“ Demokratie, da war sich Müller mit Erica Meijers, der Chefredakteurin der niederländischen Grünen-Zeitung De Helling einig, sei ebenso wie die Definition des Begriffs Volk ein ständiger Prozess. In Zeiten, wo ein Grundkonflikt in der Gesellschaft zwischen mehr Öffnung oder Abschottung bestehe, bestünde für Populisten die Chance, die Antwort auf das komplexe Thema zu haben. „Wir brauchen mehr Übung im Dialog über Demokratie und im Zusammenkommen mit anderen“, sagte Meijers und konstatierte: „Populisten decken diese Unfähigkeit auf“.