Aygül Aras aus Waiblingen, die regelmäßig Hilfsgüter in das Bürgerkriegsgebiet in Südostanatolien bringt, ist über die Gleichgültigkeit verzweifelt.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Waiblingen - Zusammen mit ihrer Schwester ist Aygül Aras aus Waiblingen wieder in die Stadt Cizre in Südostanatolien gereist, um dort Schulkindern zu helfen. Durch Kämpfe zwischen Polizei und Militär mit Teilen der Bevölkerung ist die Stadt mittlerweile großenteils nur noch ein Schutthaufen. „Warum unternimmt niemand etwas, um diese Zustände zu beenden“, sagt Aygül Aras, der die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben steht. „Es ist, als ob sich niemand dafür interessiert, was in dem Gebiet geschieht. Dort führt die Regierung Krieg gegen ihre eigene Bevölkerung. Und der Rest der Welt schaut tatenlos zu.“

 

Seit ihrer letzten Reise in die Gegend im Frühjahr habe sich die Situation bis zum Herbst noch verschärft. Cizre liegt unmittelbar an der Grenze der Türkei zu Syrien und dem Irak. Aygül Aras und ihre Schwester, die aus Dersim – heute Tunceli – stammen, einer Stadt, die wie Cizre ebenfalls hauptsächlich von Kurden bewohnt wird, wollten während ihres einwöchigen Aufenthalts wieder nach Diyarbakir reisen. „Der Taxifahrer hat aber bald wieder umgedreht. Es war zu gefährlich“, erzählt Aygül Aras. Die Altstadt sei nahezu zerstört. Um die Ruinen herum seien Sichtblenden errichtet worden.

Teile der Altstadt von Diyarbakir sind regelrecht planiert

In dem Stadtviertel, in dem monatelang der Bürgerkrieg heftig tobte, seien große Teile regelrecht planiert worden. „Die Leute haben erzählt, der Schutt der Häuser sei samt der Toten, die darin lagen, auf Lastwagen verladen und in den Tigris geworfen worden“, sagt Aygül Aras. Sie habe mit Frauen in Cizre gesprochen, die ihre Männer während des Bürgerkrieges verloren haben und nun mit ihren Kindern in den Ruinen leben. „Einer von ihnen ist von einem Scharfschützen erschossen worden, als er aus dem Fenster sah.“ Mit den Kämpfen habe der Mann nichts zu tun gehabt.

„Wir waren in einem zerstörten Haus, in dem 30 Personen in einem noch halbwegs ganzen Raum leben. Die Fenster sind alle kaputt. Jetzt kommt bald der Winter, der ist dort sehr hart.“ Das Klima in der Gegend sei extrem: im Sommer sehr heiß, im Winter sehr kalt. „Die Menschen haben im Moment zu wenig, um den Winter überstehen zu können“, befürchtet Aygül Aras.

Der Schulunterricht leidet unter den fehlenden Lehrern

Auch die Auswirkungen der Verfolgung von vermeintlichen Gülen-Anhängern oder Sympathisanten durch Erdogan seien in der Gegend deutlich zu spüren. „Es sind sehr viele Lehrer entlassen worden. Unterricht findet deshalb nicht mehr regelmäßig statt, weil sie fehlen.“ Das wirke sich wiederum auf Flüchtlingskinder aus, die aus dem Irak oder Syrien stammen. „Sie bekommen nur staatliche Unterstützung, wenn sie nachweisen können, dass die regelmäßig die Schule besuchen. Da diese nicht mehr regelmäßig stattfindet, können sie das nicht. Also bekommen sie vom Staat keine Unterstützung mehr“, berichtet die Waiblingerin, der diese Behandlung der Kinder bitter aufstößt.

Noch schlimmer ist für sie die Gleichgültigkeit des Rests der Welt ob dieses Elends. „Ich bin sicher dass jene, die etwas tun könnten, genau wissen, was da passiert. Aber sie tun nichts, sie schauen weg. Ich bin völlig verzweifelt, weil sich scheinbar niemand in der Welt für die Menschen in diesem Bürgerkrieg interessiert. Wenn ich nur wüsste, was man dagegen tun kann.“