Im „Dschungelcamp“ auf RTL wird Helmut Berger – wenn es gut geht – noch einmal vage daran erinnern, dass er früher ein gefragter Darsteller des Größenwahns an sich gewesen ist.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Altern mit Anstand? Schwierige Sache, gerade für Künstler. Man kann dann – kleiner Blick in die Divenkunde – in höheren Jahren buchstäblich von der Bildfläche verschwinden wie Greta Garbo, oder gerade noch mit dem Rücken zum Publikum aufscheinen, wie Marlene Dietrich, raunend, in einem Film von Maximilian Schell. Also da sein und doch nicht da. Andernfalls muss kosmetisch nachgebessert werden, wie, zu ihrer Zeit revolutionär, Hildegard Knef es tat, oder, wie heute selbstverständlich, Madonna. Die Knef im Übrigen wollte damals, Anfang der Achtziger, wirklich fast keiner mehr sehen und hören. Viel später aber konnte sie noch mal von Glück sagen, dass der Jazzer Till Brönner ihre alten Songs neu arrangierte. In unseren Tagen wiederum lebt die Ulmerin in den Remixen des Kölner DJs Hans Nieswandt fort – und eigentlich kommoder und künstlerisch einwandfreier als zuletzt Madonna. Was sonst bleibt: Altersrollen.

 

Aber nicht jede kann – sagen wir – Lauren Bacall sein. Und am Ende ist der Einzelne doch immer wieder mit sich selbst als jüngerer Ausgabe konfrontiert. Im Schau- und Showgeschäft geistern die Untoten umher. So auch der Österreicher Helmut Berger, der nun ins RTL-Dschungelcamp einrückt, und zuletzt – proletenhaft Dosenprosecco süffelnd – am Frankfurter Flughafen auf dem Weg nach Australien abgelichtet wurde: ein blond gefärbtes Gespenst mit Knutschfleck in den Bartstoppeln. Prompt war er freigegeben zur boulevardüblichen, grundverlogenen Bejammerei mit dem Tenor, ob Helmut Berger die kommende Verkommerzialisierung im Wrackzustand überhaupt noch aussitzen könne? Man weiß es nicht. Aber Berger hat schon so einiges erlebt.

Der Absturz des Götterlieblings

Im vorletzten Kriegsjahr in Bad Ischl geboren – was zumindest eine Operettenexistenz nicht partout ausschließt – ist Berger über das Hotelfach und irgendwie leicht Felix-Krull-haft zum Film gekommen. Dort begann er Ende der sechziger Jahre, wo andere nie anlangten, nämlich bei Visconti. Musste nicht alles danach ein wenig wie Absturz wirken? Sieht man heute Bergers aufgedunsenes Gedicht und seine insgesamt schwer in Schwung kommende Gestik, ist es schwer vorstellbar, dass ihn einmal so etwas wie die Aura des Götterlieblings umgab: zum einen als Martin von Essenbeck in Luchino Viscontis schwülem Krupp-Drama „Die Verdammten“, zum anderen als Ludwig II. im gleichnamigen Film von 1972. Als Essenbeck parodierte er bezeichnenderweise Marlene Dietrich, wie sie die Lola im „Blauen Engel“ spielt; als Ludwig verkörperte er den sogenannten Märchenkönig als zunehmend zittrige, ultranervöse Albtraumfigur. Das war weniger eine schauspielerische Leistung als eine menschliche Offenbarung. Die Macken und Malaisen des „Kini“ musste sich Berger gar nicht lange zurechtlegen. Er hatte die sämtlich drauf.

So lange der bisexuelle Berger, als selbstapostrophierte Witwe Viscontis bald Bestandteil des internationalen Jetsets, seinen Körper inszenierte und der den Anforderungen des Marktes gerecht wurde, war ihm von Rudolf Nurejew bis Elizabeth Taylor Aufmerksamkeit sicher. In „Ich“, seiner im Jahr 2000 erschienenen, ziemlich größenwahnsinnigen Autobiografie, hat Berger dieses Image kräftig ausgemalt.

Irgendwann war er nur noch Staffage

Als die Farbe seiner Marke verblasste, tingelte er eine Zeit lang durch B-Serien wie „Denver Clan“ und drehte indiskutable Filme. Gleichwohl bliebe er im Dandyfach stets eine Option für nachfolgende Generationen: Berger dürfte der einzige Mensch sein, der in einem Video der bereits erwähnten Madonna („Erotica“ von 1992) und in einem der Hamburger Band Blumfeld („Tausend Tränen tief“ von 1999) aufgetreten ist. Brauchte er vormals keine Dekoration für seine Performance (die er beherrschte, bevor der Begriff aufkam), war er jetzt oft nicht mehr als das, mitunter schlimmer: Staffage. Ob er sich daneben benehmen wollte oder einfach (im Suff und/oder auf Koks) neben einer für ihn nicht mehr recht erkennbaren Lebensspur taperte, wusste das Publikum so mancher Talkshow mit Helmut Berger kaum noch zu unterscheiden.

Andererseits rang er sich zuletzt wieder unter der Regie von Peter Kern mit „Blutsfreundschaft“ (2009) und „Mörderschwestern“ (2011) zwei Filme ab, die zumindest ahnen ließen, dass er bisweilen Sucht und Undiszipliniertheit noch kontrollieren kann. Das „Dschungelcamp“ von RTL hat, wie man selbst als Fernsehlaufkundschaft weiß, eine Vorliebe für tief gefallene Figuren der Szene. Allerdings hat Berger zum Beispiel Werner Böhm (alias Gottlieb Wendehals, vor allem aber ein exzellenter Jazzer früher), einem früheren Mitstreiter, einiges an dramatischer Sturzerfahrung voraus. Der Sender lässt verbreiten, dass er sich seiner „Fürsorgepflicht“ bewusst sei. Man wird sehen. Oder nicht.