Hermann Gökeler lebt in Botnang. Aufgewachsen ist er in der Rosensteinstraße in Stuttgart-Nord. Er hat den alten Eisenbahntunnel unter dem Rosensteinpark erkundet – im Mai bietet er wieder zwei Führungen in den lange vergessenen Tunnel an.

Botnang/S-Nord - „Personen, die nicht mit der Bedienung und der Unterhaltung von Dampflokomotiven betraut sind, ist der Eintritt streng untersagt.“ Das Schild an der Tür ist Ansage: Drinnen liegt Hermann Gökelers ganz persönliches Paradies – seine Sammlung von Uhrwerk-Lokomotiven, Spur 0, etwa oder das Zifferblatt einer historischen Rathausuhr, das er eigenhändig aus einem schwelenden Schuttberg gerettet hat. Dinge mit Geschichte haben es ihm angetan, besonders, wenn sie in Bezug zu den Orten seiner Kindheit stehen. So wie der Alte Rosensteintunnel, durch den er nun zwei Führungen anbietet.

 

Draußen vor dem Fenster lockt ein wunderbarerer Blick über Botnang, Gökelers Hauptaugenmerk liegt aber trotzdem auf jener geheimen Welt unter dem Rosenstein. Das liegt in der Familie: Groß geworden ist der Sohn eines Weichenwärters in der Rosensteinstraße, „quasi direkt hinter dem Bahndamm“, wie er sagt, und mit dem Rosensteinpark als Abenteuerspielplatz vor der Tür. Die Wände der Wohnung zieren Fotos der Arbeitsplätze des Vaters, die so genannten Blockstellen Prag und Rosenstein, die einst der Koordination des Zugverkehrs dienten. Die Häusle sind längst verschwunden, aber für den kleinen Jungen waren sie damals die Welt.

Mit Taschenlampe und festem Schuhwerk geht’s hinein in den historischen Tunnel

Während der ältere Bruder in die Fußstapfen des Vaters trat und Bahnschlosser wurde, machte Hermann Gökeler eine kaufmännische Ausbildung: „Zur Bahn hat es mich damals nicht hingezogen, das kam erst später“, erinnert er sich. Dann aber mit Macht: Er begann Lokomotiven zu sammeln, Lokschilder. Sogar ein Signalflügel krönt heute seine Sammlung. Als er auf den ersten, völlig in Vergessenheit geratenen Eisenbahntunnel unter dem Rosenstein aufmerksam wurde, ahnte er, dass viel Recherche vor ihm lag. Mit Eintritt in den Ruhestand ging er ans Werk.

Zahlreiche Menschen hat er seither durch den Alten Rosensteintunnel geführt, über den er so viel weiß, wie wohl kein anderer. Dann zwang ihn ein gesundheitlicher Rückschlag zu einer Pause. Doch nun öffnet Hermann Gökeler wieder an zwei Sonntagen im Mai die Tunnelpforte in eine verwunschene Welt.

Festes Schuhwerk und Taschenlampe sind ein Muss, dann geht es in die Dunkelheit hinein, in der seit der Stilllegung des Tunnels 1914 sogar Tropfsteine wachsen. Die Gleise sind abmontiert, der Tunnel wurde zwischenzeitlich anders genutzt: Champignons wurden hier gezüchtet, Obdachlose haben Unterschlupf gefunden, bis der Tunnel schließlich verschlossen wurde. Gökeler vermutet, dass in den Kriegsjahren hier auch Zwangsarbeiter Dienst tun mussten. Sein Bruder habe im Park einmal Trupps von Gefangenen beobachtet, die von bewaffneten Soldaten geführt wurden.

Der Tunnel verläuft nur 12 Meter unter dem Schloss Rosenstein

Dokumentiert ist nichts darüber, und Gökeler sagt, „ich habe das Gefühl, das will auch keiner so genau wissen“. Ein Foto gibt Zeugnis dieser Zeit, es entstand im Schein der sogenannten „Christbäumle“, also der Markierungen, mit denen die Vorhut den alliierten Bombergeschwadern vor dem Angriff die Abwurfstellen kennzeichneten. Hermann Gökeler erwägt, auch eine Führung zum Rosensteinpark zusammenzustellen – und zu den Veränderungen, die die Grünanlage erfahren musste.

Der Bau des Rosensteintunnels – die erste Dampflokomotive durchfuhr ihn 1846 von Cannstatt nach Stuttgart – sei ein Wagnis gewesen, denn er verläuft nur zwölf Meter unter Schloss Rosenstein und der Untergrund gilt an dieser Stelle als unsicher. „Es gab viele Gegner, zumal eine echte Gefahr bestand, dass das Ganze absackt.“ Damals ging alles gut. Wo steht Gökeler aber in der aktuellen Diskussion um im Bau befindliche Tunnel? „Ich versuche, bei den Führungen mit meiner Meinung hinter dem Berg zu halten, manchmal gelingt mir das auch“, lächelt er fein – mit Blick auf einen unübersehbaren Aufkleber der Stuttgart-21-Gegner inmitten seiner Sammlung.

Führungen: Hermann Gökeler führt am Sonntag, 15. Mai, und am Pfingstsonntag, 29. Mai, jeweils um 15 Uhr durch den Alten Rosensteintunnel. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, um vorherige Anmeldung unter Telefon 69 60 522 wird daher gebeten.