Winfried Hermann fordert die Bürgermeister von Weil der Stadt und Renningen auf, das Projekt zu unterstützen.

Calw - Wo immer eine neue Zugverbindung eröffnet werden soll, da blüht das Herz eines grünen Verkehrsministers auf. Dass es bei der Hermann-Hesse-Bahn, die Calw einmal mit Renningen verbinden soll, also nicht voran geht, das findet Winfried Hermann „richtig ärgerlich“, wie er bei einem Vor-Ort-Besuch in Calw verkündet.

 

Dabei ist es seinem Engagement zu verdanken, dass einer der Stolpersteine des Bahnprojekts aus dem Weg geräumt ist. Wie berichtet, hat sich der Naturschutzbund (Nabu) mit dem Landkreis Calw auf einen Schutz für die Fledermäuse geeinigt.

Bleibt der andere Stolperstein. Denn nicht nur der Nabu hat Klage gegen die Hesse-Bahn eingereicht. Beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim liegt auch eine Klage der Stadt Weil der Stadt vor. Die Stadt Renningen hat sich zudem vorbehalten, Widerspruch gegen das Projekt einzulegen, sobald der große Umbau des Renninger Bahnhofs genehmigt ist.

„Der Landkreis Böblingen ist in den vergangenen Jahren beim öffentlichen Nahverkehr sehr gut bedient worden“, ärgert sich Verkehrsminister Hermann und verweist auf die Schönbuchbahn oder die neue S-Bahnlinie 60 zwischen Renningen und Böblingen. „Da erwarte ich jetzt auch für die Hesse-Bahn mehr Solidarität“, sagt er.

Ministerium hat schon einmal vermittelt

Beim Streit zwischen dem Nabu und dem Landkreis Calw hat sich Winfried Hermann selbst als Vermittler vorgeschlagen und eingebracht. Muss er jetzt also auch zwischen Calw und den Kommunen im Kreis Böblingen verhandeln? „Es kann sein, dass da nochmals ein eingreifendes Vermitteln von meiner Seite nötig ist“, kündigt der Minister an.

Er verweist jedoch darauf, dass sein Ministerium schon einmal vermittelnd eingegriffen habe. Im Juni 2015 hatten sich der Landkreis Calw, der Kreis Böblingen und die Städte Weil der Stadt und Renningen auf das sogenannte „Stufenkonzept“ geeinigt. Demnach wolle man in einem ersten Schritt die Bahn von Calw nach Weil der Stadt reaktivieren, „sofern dies zeitnah und förderrechtlich rechtskonform möglich ist“, wie es in dem Papier heißt. In einem zweiten Schritt wollte man dann die Verlängerung der S-Bahn bis Calw prüfen.

„Die Bürgermeister von Weil der Stadt und Renningen haben das damals mitgetragen“, sagt Hermann jetzt bei seinem Vor-Ort-Besuch. „Dass sie das kurze Zeit später nicht mehr getan haben, hat mich ziemlich geärgert.“ Er und sein Ministerium würden sich an Absprachen halten – und dasselbe verlange er daher auch von den Kommunen.

Roland Bernhard, der Böblinger Landrat, weist die Vorwürfe zurück. Gleich nach dem Calwer Termin ist der Minister nämlich in den Kreis Böblingen geeilt, um die Finanzierungsvereinbarung der A 81 zu unterschreiben. „Ich habe versucht, dem Minister die Sorgen zu nehmen“, berichtet er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Stresstest ist eine Bedingung

„Unsere Grundhaltung zur Hesse-Bahn ist solidarisch, dazu gibt es auch einen Grundsatzbeschluss des Kreistags“, erklärt der Landrat. Drei Bedingungen hat er an diese Unterstützung immer geknüpft: Den Stresstest, der garantiert, dass die S-Bahn nicht gestört wird, die Vereinbarung, dass die S-Bahn immer Vorfahrt hat, und Lärmschutzgutachten.

Alle diese drei Bedingungen hat der Landkreis Calw inzwischen geliefert. Damit wäre der Weg frei, im Böblinger Kreistag über eine finanzielle Beteiligung an der Hesse-Bahn nachzudenken. Das wird wohl demnächst so kommen. „Der Kreistag sitzt nicht im Bremserhäuschen, er fährt keine Verhinderungsstrategie“, sagt Bernhard jedenfalls. Diese Debatte wird dann spannend, denn die beiden Bürgermeister von Weil der Stadt und Renningen – ebenfalls Kreistagsmitglieder – sind nach wie vor gegen die Hesse-Bahn bis Renningen.

Wann die Hesse-Bahn dann endlich fährt? Das weiß mittlerweile nicht einmal der Verkehrsminister. „Solange ich noch im Amt bin“, orakelt er jedenfalls. Gewählt ist er bis 2021. Vier Jahre noch.

Interview: „Den Takt der S-Bahn nicht gefährden“

Neben dem Nabu waren die beiden Bürgermeister Thilo Schreiber (Weil der Stadt) und Wolfgang Faißt (Renningen) immer die vehementesten Gegner einer Hesse-Bahn bis Renningen. Das ändert weder der Stresstest, noch die Intervention eines Ministers, sagt der Renninger Schultes im LKZ-Gespräch.

Herr Faißt, sind Sie mit dem Nordschwarzwald nicht genügend solidarisch?
Wir sind ausreichend solidarisch, weil wir sagen: die Bahnanbindung des Kreises Calw halten wir für wichtig und richtig. Wir unterstützen die Bahn bis Weil der Stadt voll und ganz – und das sage ich auch im Namen meines Kollegen in Weil der Stadt und meiner Kolleginnen und Kollegen im Kreistag. Aber: Wenn man ernsthaft will, dass die S-Bahn mehr angenommen wird, dann darf man nicht leichtfertig den Takt der S-Bahn gefährden.
Der Stresstest hat diese Befürchtung doch entkräftet.
Am Reißbrett lässt sich Vieles theoretisch hinrechnen, aber in der Praxis sieht es oft anders aus. Man hat die S-Bahn zwischen Renningen und Malmsheim vor einigen Jahren auf zwei Gleise erweitert, weil durch dieses kurze davor eingleisige Stück der S6 Verspätungen im gesamten Stuttgarter Netz entstanden sind. Und jetzt soll auf dem 4,5 Kilometer langen, eingleisigen Abschnitt zwischen Weil der Stadt und Malmsheim ein zusätzlicher Zug fahren. Da glaubt doch niemand, dass es keine Taktprobleme geben wird.
Die Fahrt bis Renningen ist notwendig, damit die Hesse-Bahn wirtschaftlich ist, sagt der Kreis Calw.
Es wird sich zeigen, dass diese theoretische Wirtschaftlichkeitsberechnung in der Realität nicht hinhaut. Denn ein Großteil der Menschen wird in Weil der Stadt bequem und mit drei Schritten in die S-Bahn umsteigen, um in der S6 in Richtung Stuttgart zu fahren – und die Hesse-Bahn fährt fast leer nach Renningen weiter – das ist doch ein Schildbürgerstreich.
Der Minister fordert vom Kreis Böblingen mehr Dankbarkeit und verweist zum Beispiel auf die S 60 zwischen Renningen und Böblingen.
Ja, da wurden wirklich sinnvolle Kapazitäten für die S-Bahn geschaffen, die auch genutzt werden. Das muss Schule machen. Weitere Tangentiale im Stuttgarter Netz müssen geschaffen werden – nur so werden zusätzliche Fahrgastpotenziale für den Nahverkehr generiert.
Wie begleiten Sie momentan die Hesse-Bahn?
Wir bereiten derzeit unsere Stellungnahme für den Bahnhofsumbau in Renningen vor. Und wir treffen uns alle zwei Monate beim Verband Region Stuttgart, um die Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Verlängerung der S-Bahn nach Calw zu prüfen. Im Moment sieht es da so aus, als ob eine S-Bahn-Verlängerung wirtschaftlich wäre. Bei der neuerdings geplanten „Tunnel-in-Tunnellösung“ zum Schutz der Fledermäuse muss man zwingend darauf achten, dass eine Elektrifizierung der Strecke möglich bleibt.
Warum halten Sie sich nicht an den Kompromiss der Stufenlösung, also erst die Hesse-Bahn bis Renningen, dann später die Verlängerung der S-Bahn?
Diese Zweistufigkeit im Papier vom Juni 2015 haben wir anders verstanden. Wir sehen es so: Zunächst baut man die Bahn bis Weil der Stadt. Dann verlängert man die Bahn bis Renningen – oder verlängert die S-Bahn bis Calw. Weil der Text der Stufenlösung so missverständlich formuliert ist, haben die Räte von Weil der Stadt und Renningen und der Kreistag auch nicht zugestimmt.
Haben Sie damals also falsch verhandelt?
Das war ein schwieriges Ringen um die Formulierungen, das Verkehrsministerium hat damals auf einige Formulierungen bestanden, die dann unterschiedlich interpretiert wurden. Im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners haben wir gesagt: Wir lassen es so stehen, und schauen, ob die Gremien zustimmen. Der Verkehrsminister spricht seitdem von einem Verständigungspapier – man muss aber deutlich sagen, dass das Papier nie den Status einer Verständigung erreicht hat, weil die Gremien nicht zugestimmt haben.
Wie ist Ihr Verhältnis zum Kreis Calw?
Ein offenes Gespräch mit dem Kreis hatten wir bisher nicht, das beanstanden wir. Wir haben das Problem, dass die Fakten nicht auf den Tisch kommen. Wir werden entweder gar nicht, oder bei wichtigen Themen falsch informiert.

Das Gespräch führte Florian Mader.