Das Dimorphin-Projekt in Stuttgart ist ins Stocken geraten. Die Kriegsbergstraße 40 wäre optimal, daran hat aber auch das Klinikum Interesse.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die geplante Einrichtung der kontrollierten Heroinabgabe an Schwerstabhängige wird immer mehr zu einem Problemfall. Nicht weil es an einem Konzept dafür mangeln würde, dieses ist weit gediehen. Aber bis jetzt haben sich keine Räume für die Abgabe des synthetischen Heroins Diamorphin gefunden. Ein Gebäude an der Kriegsbergstraße, das der Stadt gehört, wäre aus Sicht der Suchthilfeträger ideal. Dass es vor drei Jahren für das Klinikum erworben wurde und seither leersteht, jetzt aber kurzfristig als Standort für Klinikbüros auserkoren wurde, löst bei den Akteuren der Suchthilfe Verärgerung aus.

 

Andreas Zsolnai ist enttäuscht: "Die Kriegsbergstraße 40 ist meine einzige Hoffnung gewesen, dass es mit der Heroinabgabe in Stuttgart überhaupt noch etwas wird", sagt der Suchtmediziner, der eine Substitutionspraxis im Gesundheitsamt betreibt und zusammen mit der Stadt das Konzept für die Heroinabgabe erarbeitet hat. Zsolnais Stimmungslage hat eine Vorgeschichte: An seine Praxis im Westen soll die Einrichtung aus fachlichen wie städtebaulichen Gründen nicht angegliedert werden, unter anderem wegen der Pläne für das Olgaareal - und weil in diesem Teil des Gesundheitsamtes in absehbarer Zeit eine Kindertagesstätte eingerichtet werden soll. Zsolnai betreut dort rund 150 von etwa 900 Stuttgarter Heroinsubstituierten, eine spezielle Gruppe von 40 bis 50 Süchtigen soll Diamorphin erhalten. Auch Räume des Bürgerhospitals an der Türlenstraße waren danach im Gespräch, doch auch diese Möglichkeit hat sich zerschlagen.

"Wir beißen überall auf Granit"

Als "optimal" hat Ulrich Binder, der Sprecher des Stuttgarter Suchthilfeverbundes, die Kriegsbergstraße 40 schon bei einer Begehung 2009 bezeichnet, wegen der Lage nahe des Hauptbahnhofs und wegen des Raumangebotes. "Wir suchen doch alle seit Jahren nach Flächen", sagt Binder, der selbst die Drogenberatung Release leitet, über die Situation der Suchthilfeträger. "Aber wir beißen überall auf Granit." Auf dem freien Markt seien Räume für Suchthilfeeinrichtungen nicht zu bekommen, selbst Makler meldeten sich bei Anfragen nicht. In dieser Lage sei es "unmöglich", dass die Kriegsbergstraße 40 schon so lange leerstehe. Binder: "Wenn die Stadt will, dass wir unsere Arbeit gut machen, dann muss sie uns auch Räume anbieten."

Das ist leichter gesagt als getan. "In der Innenstadt hat die Stadt nicht viele eigene Gebäude", sagt der Leiter des Liegenschaftsamtes, Thomas Zügel. Man habe alle verfügbaren Gebäude durchforstet, aber kein geeignetes gefunden. Die Kriegsbergstraße 40 sei zuletzt noch das einzige gewesen, "das auf der Liste war", so Zügel.

Klinikum will dort Büros unterbringen

 Für dieses liegt aber seit kurzem, vermutlich ausgelöst durch eine Anfrage der CDU-Fraktion zur geplanten Nutzung des Gebäudes, ein Antrag vor, wonach das Klinikum das Haus nun von der Stadt kaufen und dort einstweilen Büros unterbringen will, für die man im Zuge des laufenden Umbaus am Standort Mitte Flächen sucht. Als die Stadt das Gebäude 2007 eilig erworben hat, hegte das Klinikum andere Pläne. Ein Teil des Karrees zwischen Kriegsberg-, Kepler- und Jägerstraße sollte weiterentwickelt werden, ein Patientenhotel und eine neue Blutzentrale entstehen.

"Es ist nicht gelungen, einen Projektträger zu finden", sagt Krankenhausbürgermeister Klaus-Peter Murawski (Grüne). Auch er habe wenig Verständnis dafür, dass das Haus drei Jahre leergestanden hat. Das große Konzept ist Vergangenheit, zumal der Eigentümer des Gebäudes Kriegsbergstraße 42 das sogenannte Schildknecht-Haus an der Ecke zur Keplerstraße im Dezember an die Landesstiftung Baden-Württemberg verkauft hat. Diese wird von ihrem heutigen Sitz beim Arcotel Camino an der Heilbronner Straße aus Platzgründen an die Kriegsbergstraße umziehen.

Und ein weiterer Hoffnungsträger der Suchthilfeträger, das Haus Kriegsbergstraße 30, das ebenfalls der Stadt gehört und auf das Ulrich Binder sein Auge geworfen hat, ist nicht mehr zu haben. Dorthin wird das sogenannte Stadtlabor ziehen, mit dem der Oberbürgermeister Kinder und Jugendliche spielerisch an der Gestaltung des Rosensteinviertels beteiligen will, dessen Start aber noch nicht feststeht. Aus der Heroinabgabe, deren Start ursprünglich für Frühjahr 2011 geplant war, dürfte angesichts dieser Entwicklung in diesem Jahr vermutlich nichts mehr werden.