Maike Mayer verarbeitet neuerdings Kaffee selbst – und erfüllt sich damit einen Traum. Die Chemikerin aus Herrenberg hat im Immobilienbüro ihres Mannes eine eigene Rösterei eingerichtet.

Herrenberg - Zum Schluss zählt jede Sekunde. „Bei etwa 186 Grad muss er raus“, sagt Maike Mayer zu ihrem Mann Eugen, der auf dem Computerbildschirm die Wärmeentwicklung in dem Trommelröster konzentriert verfolgt. „Jetzt haben wir 183 Grad“, sagt er zu seiner Frau. „Gleich geht’s los“, antwortet ihm die 41-Jährige, die es selbst kaum erwarten kann, die Klappe des 15-Kilogramm-Rösters zu öffnen. Das tut sie dann auch – und dampfend und noch knisternd ergießen sich die braunen Kaffeebohnen in den Kühlsieb. „Sie sind top geworden“, sagt Maike Mayer, die sich über das Ergebnis der Röstung freut.

 

Erst vor wenigen Monaten hat Maike Mayer ihre Privatrösterei in Herrenberg-Gültstein eröffnet. Das ist die zweite im Kreis Böblingen. Mayer, die schon seit Jahren in der eigenen Küche den Kaffee für den Hausgebrauch geröstet hat, erfüllte sich damit einen Traum. An ihrem 40. Geburtstag stellte sich die Mutter zweier Kinder selbstkritisch die Frage, ob sie ihrem Traum später einmal nachtrauern oder ihn jetzt in die Tat umsetzen will. „Ich hab’ mich fürs Machen entschieden“, sagt Mayer. Mit dem Entschluss begann die Arbeit. Das Kaffeerösten musste Maike Mayer erst einmal lernen. Das tat sie bei Andreas Felsen, in der Szene besser bekannt als Pingo. Er betreibt in Hamburg das Unternehmen Quijote Kaffee und bietet auch Seminare rund um Kaffee an. Als die Idee von der eigenen Rösterei immer stärker Konturen annahm, ließ Maike Mayer ihren Vater die Geschäftsidee durchrechnen. Benötigte sie doch einige größere Anschaffungen: den Trommelröster, den Proberöster, den Entsteiner. Der Rohkaffee nicht gerechnet.

Rösterei im Immobilienbüro des Mannes eingerichtet

Die verschiedenen Kaffeesorten, darunter zwei, mit denen soziale Projekte in Nicaragua und Brasilien unterstützt werden, ordert Maike Mayer bei einem Hamburger Händler. Auf Paletten werden die mit Rohkaffee gefüllten Säcke regelmäßig in Herrenberg-Gültstein angeliefert. Das Immobilienbüro von Mayers Mann musste für das Rösterei-Projekt umgestaltet werden. „Das ist nicht mehr nur ein Hobby“, sagt Eugen Mayer, der inzwischen vom Rösten fast soviel versteht wie seine Frau.

Donnerstags und freitags wirft sie die Röstmaschine an. „Im Sommer beginne ich schon morgens um 6 Uhr“, sagt Maike Mayer. Denn es wird schnell warm in dem Raum, in dem Emma – wie die Mayers den Trommelröster nach der Lokomotive in dem Michael-Ende-Klassiker „Jim Knopf“ getauft haben, steht. Der Proberöster, mit dem Maike Mayer Röstungen und Mischungen erst einmal ausprobiert, hat auch einen Namen: Ahmed – wegen des türkischen Herstellers. Beim Rösten muss sich Maike Mayer voll auf die Prozesse in dem Trommelröster konzentrieren. Die Röstdauer des Kaffees richtet sich danach, ob Maike Mayer die Bohnen zu einem Filterkaffee oder zu einem Espresso weiterverarbeitet. Erst verfärben sich die grünen Bohnen gelb, dann zimtfarben und schließlich braun. Die verschiedenen Stadien des Vorgangs verfolgt Mayer mit, indem sie sich die Bohnen immer wieder im Probenzieher ansieht und an ihnen riecht.

Um den Prozess exakt überwachen zu können, hat Maike Mayer ein Computerprogramm geschrieben. Die 41-Jährige ist nun mal Naturwissenschaftlerin: „Ich mache meinen Job gerne.“ Die Chemikerin arbeitet Teilzeit in einem Pharmaunternehmen, in dem sie zuständig ist für das Qualitätsmanagement. Ihr Wissen um Produktionsabläufe kommen ihr in der eigenen Rösterei zugute – und prägten ihr Qualitätsbewusstsein. Denn entspricht der geröstete Kaffee nicht ihren Ansprüchen, vernichtet sie ihn vor den Augen von Zollbeamten. Kaffeesteuer fällt dann nicht an.

Das Kaffee-Aroma entwickelt sich erst

Dass die frisch gerösteten, noch warmen Bohnen im Kühlsieb des Trommelrösters gar nicht nach Kaffee riechen, ist verblüffend. „Das Aroma entwickelt sich erst nach ein, zwei Tagen“, erklärt Maike Mayer, die zwischen dem Entsteinen und dem zweiten Röstvorgang an diesem Tag zu einer Kaffeeverkostung einlädt. In drei Tassen hat sie das Pulver verschiedener Kaffeesorten gegeben und mit heißem Wasser aufgegossen. Nach vier Minuten wird die sich oben abgesetzte Kaffeepulverkruste geknackt – also an den Tassenrand geschoben – und zunächst nur an dem dunklen Getränk gerochen. Dann probiert. Der Brasilianer, der erste in der Reihe, hat den typischen Kaffeegeschmack. Erdiger und würziger schmeckt dagegen der Kaffee aus Sumatra. Aber der aus Äthiopien hat eine ausgeprägt blumige Note. Erstaunlich, wie vielfältig doch Kaffee sein kann.

Tag des Kaffees

Erster
Johannes Hornstein, der Chef des Böblinger Bäckerei und Konditorei Frech, röstet seit dem Jahr 2003 Kaffee selbst. „Ich war schon immer fasziniert von Kaffee.“ Da er wissen will, woher die Ware stammt, bezieht er den Rohkaffee über einen Hamburger Handelspartner von kleinen Bauern, „die auch den Preis bestimmen“. Dreimal die Woche röstet er Kaffee, der in den eigenen Cafés ausgeschenkt und in zwei der Frech-Bäckereien auch verkauft wird. Mehr zu den Kaffeesorten findet sich im Internet unter www.frech-bb.de.

Zweite
Maike Mayer ist die zweite Kaffeerösterin im Landkreis. Weitere Informationen über sie und die Öffnungszeiten der Rösterei in der Heisenbergstraße 9 in Herrenberg kann man unter www.maycoffee.de lesen.

Andere
Der Deutsche Kaffeeverband mit Sitz in Hamburg beobachtet seit Jahren, dass die Zahl der Röstereien in Deutschland zunimmt. Er schätzt sie auf 500. Da der Kaffeverbrauch hierzulande seit Jahren konstant bei rund sechs Kilo pro Kopf liegt, geht der Verband von einem Trend hin zu hochwertigem Kaffee aus. Er rief den ersten Samstag im September zum Tag des Kaffees aus.