Die Rathausspitze legt einen Fahrplan zum Komplettumbau des Stadtzentrums vor. Die betroffene Fläche ist anderthalbmal so groß wie die Altstadt. Rund 63 Millionen Euro sollen in den nächsten zehn Jahren investiert werden.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Jede blaue Linie steht für ein Bauvorhaben. 32 von ihnen sind übereinander in einem Jahreskalender aufgelistet, der bis 2027 reicht. 13 der Linien setzen im Jahr 2017 an. Was allerdings nicht heißt, dass in den nächsten Monaten Bagger auf Baustellen fahren und Kräne kreisen. Die Einladung zum ersten Spatenstich für eine von den Rathausoberen erhoffte, bessere Zukunft Herrenbergs werden erst in rund einem Jahr verschickt.

 

Im Frühling 2018 beginnt entweder zuerst der Bau eines futuristischen Hauses am Fuß der Altstadt, Seecube getauft, oder es beginnt die Bebauung des Seeländer-Areals, einer Brache inmitten der Innenstadt, die derzeit noch als Parkplatz genutzt wird. „Beide Projekte sind sozusagen zusammen auf der Autobahn“, sagt der Baubürgermeister Tobias Meigel. „Wir werden sehen, wer überholt.“

Die zwei Beispiele taugen als Symbole für die Bandbreite jener 32 blauen Linien. Einzelne Bauten sind genauso darunter wie vollständige Neubaugebiete. Eine neue Straße unter der Bahntrasse hindurch steht auf der Liste. Wohn- wie Gewerbegebiete sind geplant. Der unterirdisch kanalisierte Aischbach soll freigelegt, die Fußgängerzone in der Altstadt runderneuert und die gesamte Altstadt neu beleuchtet werden.

Die Innenstadt soll zum offiziellen Sanierungsgebiet werden

Sofern das Regierungspräsidium den entsprechenden Antrag genehmigt, wird die gesamte Innenstadt zum Sanierungsgebiet erklärt. Hauseigentümer bekämen dann Zuschüsse, wenn sie ihre Bauten modernisieren, im Gegenzug müssten sie Auflagen dulden. Bei der Stadtsanierung werden üblicherweise Grundstücke zusammengefasst und ihre Zuschnitte neu geordnet, „und zu ordnen gibt es vieles“, sagt Meigel. So stehen im Zentrum Herrenbergs noch ehemalige Scheunen oder veraltete Gewerbebauten. Was der Baubürgermeister positiv formuliert: „Die Stadt hat total gute Chancen, sich weiterzuentwickeln.“

Die Kosten aller Vorhaben zusammen sind auf 63 Millionen Euro kalkuliert. Die Summe soll aber nur zum Teil aus der Stadtkasse bezahlt werden. Die Rathausspitze rechnet mit Zuschüssen aus Förderprogrammen. Beispielsweise sollen die acht Millionen Euro für die Sanierung und den Umbau des historischen Fruchtkastens zur Hälfte vom Land bezahlt werden.

Zum Jubiläum soll der letzte Pinselstrich getan sein

Das Ziel ist nicht weniger als eine kaum mehr wiederzuerkennende Innenstadt. 2027 soll der letzte Pinselstrich getan sein. Im Jahr darauf feiert die Stadt ihr 800-jähriges Bestehen. Allerdings geht es nicht nur um die Schönheit. Im Wettbewerb der Städte „hat Herrenberg einiges aufzuholen“, sagt der Oberbürgermeister Thomas Sprißler. Wenn andere Kommunen Neubaugebiete ausschreiben, „suchen sie sich von 30 Bewerbern fünf Investoren aus, wir kämpfen um die fünf“. Im Rathaus sind die 32 Projekte in den vergangenen Monaten vor allem in eine zeitliche Reihenfolge gesetzt worden. Über die einzelnen Vorhaben herrscht weitgehend Einigkeit im Gemeinderat, über die Prioritäten ist noch nicht abgestimmt worden.

Womöglich halten die Stadträte andere Projekte für vordringlich als die Verwaltungsspitze. Allerdings sind Verschiebungen nur in Maßen möglich. Zum einen „aus technischen Gründen“, wie Sprißler sagt. „Vereinfacht ausgedrückt, kann man nicht erst die Straße bauen und danach den Kanal verlegen.“ Außerdem ist die Liste auf die zu erwartenden Finanzen der Stadt ausgerichtet. Aktuell stehen 500 000 Euro im Etat. Im Haushalt 2020 sollen drei Millionen Euro verfügbar sein.

Um die Pläne verwirklichen zu können, sollen in der Bauverwaltung sechs neue Mitarbeiter eingestellt werden. Zwar soll so viel Arbeit wie möglich von Unternehmen bewältigt werden, dies ist ohne städtische Koordinierung aber unmöglich, und manches auf der Liste „sind originäre Aufgaben der Stadt“, sagt Meigel. So sollen nicht nur die Grundstücke an Straßen bebaut, sondern auch die Straßen selbst umgebaut werden, und zwei neue Parks gehören ebenfalls zu den Plänen.