Die Stadt hält die Ursache der Verschmutzung im Naturbad Herrenberg für geklärt. Die Planer sind sich nicht so sicher. Der Gemeinderat lehnt einen Umbau zum Chlorbad ab und fordert den Tausch des Wasserfilters.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Zwei Mann sind einsam im prall gefüllten Ratssaal. Claus Schmitt und Stefan Bruns sitzen wortkarg links vorn auf den Plätzen, die sonst den Referenten aus der Verwaltung vorbehalten sind. Sie sind schuldig, jedenfalls nach Lesart der meisten Herrenberger Stadträte; schuld daran, dass das mit 5,7 Millionen Euro bezahlte und mit viel Begeisterung eröffnete Naturfreibad immer wieder geschlossen werden musste. Schmitt ist Geschäftsführer der Wasserwerkstatt, Bruns Geschäftsführer von Polyplan. Die Firmen sind verantwortlich für den Bau des Bades.

 

„Die beiden wissen, dass ich ziemlich sauer bin“, sagt der Oberbürgermeister Thomas Sprißler. „Dies ist ihre letzte Chance“ – nämlich das Bad so nachzubessern, dass sich das Wasser im Becken nicht mehr trübt und sich in der Folge Bakterien in ihm vermehren. Die Christdemokraten wollen diese letzte Chance nicht mehr gewähren. „Sie haben schon vier Chancen verballert“, sagt ihr Fraktionsvorsitzender Hermann Horrer. Die erste bei Lieferung, drei weitere bei Versuchen nachzubessern. Die CDU will umrüsten auf ein Chlorwasserbad, und zwar sofort. Dieser Antrag zerschellt indes an Kritik in deftiger Wortwahl. Die anderen Fraktionen werfen der Union Populismus und Geldverschwendung vor. Der Umbau würde etwa zwei Millionen Euro kosten.

Redner lassen die Planer wissen, dass sie ihr Vertrauen verloren haben

Zwar sagen auch Redner anderer Parteien den Planern, dass sie eigentlich kein weiteres Vertrauen mehr verdient haben. Die große Mehrheit ist dennoch der Meinung, dass die letzte Chance zu gewähren die vernünftigste Lösung ist. Denn juristisch ist die Frage nach Schuld oder Unschuld der Planer keineswegs so einfach zu beantworten wie in einer Ratsdiskussion.

Die Stadt lässt sich von dem Stuttgarter Rechtsanwalt Peter Hoffmann beraten. Dessen Empfehlung ist, noch einmal nachbessern zu lassen, allein schon, weil sonst „eine jahrelange Gutachterschlacht durch mehrere Instanzen“ zu befürchten sei. Nach tiefer Überzeugung der Rathausoberen ist das im Wasserfilter verfüllte Gestein fehlerhaft und zweifelsfrei Verursacher der Verschmutzungen. In solchen Fällen „zeigt üblicherweise der Planer auf den Lieferanten und der Lieferant auf den Planer“, sagt Hoffmann. Die Stadt Herrenberg ist bislang in der glücklichen Lage, dass sie mit der Wasserwerkstatt einen Vertrag als Generalunternehmer unterschrieben hat. Die Firma aus Bamberg ist ihr einziger Ansprechpartner für die Gewährleistung.

Die beiden Firmenchefs wirken einigermaßen ratlos

Schmitt und Bruns wirken einigermaßen ratlos. „Hier sitzen 15 bis 20 Jahre Berufserfahrung, wir haben 80 bis 90 Naturbäder zusammen gebaut“, sagt Schmitt. Dauerhafte Probleme gebe es nur in Herrenberg. Die Wortkargheit der Herren ist einerseits versicherungsrechtlichen Fragen geschuldet, andererseits zwei Gutachten. Würden die Planer eine Schuld eingestehen, könnten ihre Haftpflichtversicherungen sich weigern zu zahlen. „Die sitzen hier eigentlich auch noch mit am Tisch“, sagt Hoffmann. Außerdem sind die beiden Firmenchefs keineswegs so überzeugt wie die Stadtoberen, dass der Wasserfilter das Übel verursacht. In nichtöffentlicher Sitzung habe Schmitt die Wahrscheinlichkeit „auf höchstens 30 Prozent“ taxiert. So plaudert es der Christdemokrat Markus Speer aus. Tatsächlich ist die Materialprüfungsanstalt Bremen zu dem Schluss gekommen, das Gestein sei unverdächtig, der Tüv Rheinland hält es für fehlerhaft.

Fest steht, dass es nicht den in einem Zertifikat bescheinigten Normen entspricht. Allein dies rechtfertigt den Austausch. Den wollen die Firmen freiwillig leisten. Und nicht nur der Filter, sämtliches Material wird gewechselt, das theoretisch Wasser trüben kann. So versichert es Bruns – unter einem Vorbehalt: Die Stadt will die letzte Chance zum Nachbessern in einen rechtssicheren Vertrag gießen. Dem müssen die Versicherer zustimmen. Verweigern sie sich, sagt Hoffmann, „dann stellen sich alle Fragen wieder neu“. Der Vertrag soll noch im Oktober unterschrieben sein.