Biblische Geschichte in Sprechblasen: Der Renaissancemaler Heinrich Füllmaurer hat die Luther-Thesen einst komprimiert und stellt sie in 157 Bildern dar. Die evangelische Kirchengemeinde dokumentiert das Altarwerk jetzt in einem neuen Bildband.

Herrenberg - Er soll Jerg Ratgeb gut gekannt haben, den süddeutschen Maler, der in den Jahren 1518/19 den nach ihm benannten Herrenberger Altar schuf. Als Jugendlicher sah er Jerg Ratgeb bei der Arbeit über die Schulter und mag von ihm einiges gelernt haben. Jedenfalls griff Heinrich Füllmaurer später selbst zu

 

Pinsel und Farben und malte 157 Szenen biblischer Geschichten. Im Auftrag von Graf Georg von Württemberg, Regent der Grafschaft Mömpelgard, entstand ein Flügelaltar, der seinesgleichen sucht. Über das Kunstwerk, das eine kleine Odyssee erlebte, hat die evangelische Kirchengemeinde Herrenberg anlässlich der Reformationsfeierlichkeiten nun einen Bildband herausgeben.

Die Herrenberger sehen den um 1500 geborenen Heinrich Füllmaurer als einen der ihren an. Schließlich lebte und arbeitete er einst in der Stuttgarter Straße 17 der Gäu-Metropole, wo er auch sein Atelier hatte. Jedenfalls wird Füllmaurer erstmals im Jahr 1526 als „Maister Heinrich Malern“ in Urkunden erwähnt und bis zum Jahr 1544 in den Steuerbüchern der Stadt geführt, bevor er nach Tübingen umzog, wo der Botaniker Leonhart Fuchs lebte, dessen Kräuterbücher Füllmaurer reich illustrierte.

Pfarrer und Künstler waren „dicke Freunde“

„Über das Leben des Renaissancemalers und Zeichners ist nicht viel bekannt“, berichtet Helmut Maier, der einstige Finanzbürgermeister von Herrenberg, „die XXL-Bilderbibel ist aber wohl in Herrenberg entstanden.“ Offenbar maßgeblich beteiligt gewesen sei Kaspar Gräter. Der erste evangelische Pfarrer von Herrenberg, der im Jahr 1534 in die Stadt kam und die Reformation einführte, gelte als theologischer Berater Füllmaurers. „Die beiden waren dicke Freunde“, erzählt Maier. Der Künstler gelangte durch ihn nämlich an den Hof Herzog Ulrichs, wo er dessen Gemächer künstlerisch gestaltete.

Der Herrenberger war fortan in Stuttgart gut angesehen, der Herzog holte den Mömpelgarder Altar in seine Kunstkammer. Dies sollte aber noch nicht die letzte Station sein: Nach der verlorenen Schlacht im 30-Jährigen Krieg bei Nördlingen wird der Altar von den siegreichen kaiserlichen Truppen unter Ferdinand III. nach Wien in die habsburgischen Sammlungen gebracht. In Wien befindet sich die XXL-Bildergeschichte noch heute: In der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums.

Helmut Maier ist die Nachbildung des Altars zu verdanken

Dorthin reiste Helmut Maier vor wenigen Jahren und brachte eine CD mit – die 157 Bilder mit den Sprechblasen, die von den Wundern, Gleichnissen und Reden der Bibel künden. Die Herrenberger Agentur Krauss nahm sich ihrer an, fertigte Fotoabzüge und für die Herrenberger ging ein Traum in Erfüllung: Seit September 2015 steht die Nachbildung des Altars auf der Empore der Stadtkirche, von zahlreichen Besuchern seitdem bestaunt.

Einen Haken allerdings hat der für jedermann aufklappbare Bilderreigen: Die obersten Tafeln sind schwer zu erkennen, die Texte noch schwerer zu lesen. Und nicht zuletzt steht jetzt das Reformationsjubiläum an. „Mit Sponsorengeldern und der großzügigen Unterstützung bei den Bildrechten haben wir es geschafft, das Altarwerk zu dokumentieren“, erklärt der Herrenberger Dekan Eberhard Feucht.

Eine gute Stückzahl von Bildbänden wird demnächst mitsamt dem etwa 400 Kilogramm schweren Altar eingepackt und nach Berlin transportiert. Von Ende November an wird in der Landesvertretung vier Wochen lang in einer Ausstellung über die Reformation dem großen Sohn Herrenbergs gedacht. Von dort wird der religiöse Schrein seine Reise zurück ins Ländle antreten, wo er im Jubiläumsjahr der Lutherischen Thesen vom nächsten September an in der Klosterkirche Alpirsbach präsentiert wird. Danach ist die Nachbildung auch noch im Kloster Bebenhausen bei Tübingen zu Gast – und im Begleitgepäck wird stets der neue Bildband sein.