Das IBM-Haus könnte zur Erstaufnahmestelle für Asylbewerber werden. Dann sollten Kreis und Stadt weniger Flüchtlinge aufnehmen müssen, fordern Verantwortliche

Herrenberg - Sehr überraschend sind die Pläne des Integrationsministeriums für die allermeisten im Kreis gewesen, in Herrenberg eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge zu einzurichten (wir berichteten). So überraschend, dass Margarethe Oppermann vom Arbeitskreis Asyl am Montag erst durch den Anruf unserer Zeitung davon erfuhr. „Ich bin erst aus dem Urlaub gekommen. Ich weiß von nichts.“ Die Stadt hat laut dem Ersten Bürgermeister Tobias Meigel Mitte Juli erstmals vom Ministerium davon gehört, dass das Land Interesse am ehemaligen IBM-Schulungszentrum am Fichtenberg hat. Die Fraktionschefs des Gemeinderats wurden kurz vor den Sommerferien von der Stadtverwaltung informiert.

 

Wie konkret sind die Pläne?

„Wir reden im Moment über ungelegte Eire. Das sind alles Spekulationen“, sagt der Pressesprecher von IBM in Ehningen. Fakt sei, dass IBM noch einen Mietvertrag bis Ende 2016 habe, dort noch etliche Mitarbeiter beschäftigt seien, wie viele konnte er nicht sagen. Ob das Unternehmen bereit wäre, früher auszuziehen, wollte er nicht kommentieren. Verhandlungspartner des Landes sei der Eigentümer. Bei diesem soll es sich um den Eigentümerfonds Real MGT in Zürich handeln. Deren Geschäftsführer war nicht zu erreichen. Das Integrationsministerium hält die Immobilie für geeignet. Doch ob die Landesstelle eingerichtet werde, sei „auch eine Frage des Preises“, sagt Christoph Häring, der Sprecher des Integrationsministeriums.

Was unterscheidet eine Landeserstaufnahmestelle von den bestehenden Flüchtlingsunterkünften im Landkreis?

Wenn die Flüchtlinge in Deutschland ankommen, werden sie zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes (LEA) untergebracht. Lange gab es nur eine in Karlsruhe. Mittlerweile unterhält das Land 13 Standorte, weitere vier stehen fest. Zusätzlich werden weitere Immobilien geprüft wie die in Herrenberg. Längstens drei Monate, im Schnitt vier bis sechs Wochen, dürfen die Menschen in den LEAs bleiben. Dann werden sie auf Sammelunterkünfte in den Kreisen verteilt. Dort kommen sie nach spätestens zwei Jahren in eine Anschlussunterbringung der Kommunen.

Was kommt auf den Kreis und die Stadt arbeitsmäßig zu?

Verantwortlich für die Betreuung der Flüchtlinge in den LEA ist das Land, es stellt Sozialarbeiter sowie Hausmeister und richtet die Immobilien ein. Der Kreis ist für die Erstuntersuchung durch Mitarbeiter des Gesundheitsamtes zuständig, müsste dort sein Personal aufstocken.

Werden die Flüchtlinge in der Erstaufnahmestelle auf die Zuweisung in den Kreis und die Städte angerechnet?

Das fordern der Kreis Böblingen und die Stadt Herrenberg. Und so war es auch bisher Usus. Doch angesichts der vielen neuen Standorte müsse man das neu verhandeln, sagt der Sprecher des Integrationsministeriums. „Wir suchen gemeinsam mit den Kommunalen Landesverbänden nach einer einvernehmlichen Lösung für alle Kreise, die mit und ohne LEA.“

Was sagen die Kommunalpolitiker?

Einmütig haben der Oberbürgermeister Thomas Sprißler und die Fraktionschefs des Gemeinderats einen Brief an die Integrationsministerin geschrieben. Darin bekennen sie sich zur Verantwortung, Flüchtlinge aufzunehmen, fordern aber, dass die Stadt an den Planungen beteiligt wird. Sie haben Kriterien für die LEA entwickelt. Es müsse ein Sicherheitskonzept erstellt werden. Maximal 1000 Personen dürften untergebracht werden. Zudem müssten Arbeitsplätze in der LEA entstehen.

Es kommen immer mehr Flüchtlinge

LEA Zurzeit gibt es Landeserstaufnahmestellen in Karlsruhe, Meßstetten, Ellwangen, Donaueschingen, Philippsburg, Bruchsal, Sigmaringen, Weingarten, Heidelberg, Mannheim und Neuenstadt. Weitere sind geplant in: Tübingen, Wertheim, Freiburg, Schwäbisch Hall.

Menschen Das Bundesamt für Migration rechnet in diesem Jahr mit weiteren 450 000 Flüchtlingen, davon mehr als 50 000 für Baden-Württemberg. Ende August kommt die neue Prognose. „Wir gehen von höheren Zahlen aus“, verlautet das Integrationsministerium. In Kreisunterkünften leben zurzeit 1550 Menschen, bis Jahresende voraussichtlich 2900.