Einzig im Hallenbad in Heslach fließt noch Stuttgarter Wasser. So findet es seinen Weg dorthin.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Heslach - Der blaue Overall könnte kleidsamer sein. Aber Frederico Busarello von den Freien Demokraten im Stuttgarter Osten trägt ihn mit Fassung, genauso wie die anderen aus der 15-köpfigen Besuchergruppe, die den Hochbehälter Hasenberg kürzlich besichtigt haben.

 

Die Hygienevorschriften für die beiden öffentlich zugänglichen Wasserspeicher sind streng: „Wenn etwas ins Wasser fällt, müssen wir alles ablassen und die Halle reinigen. Das ist eine Woche Arbeit und kostet 40.000 Euro.“ Mit diesem Szenario hat Thomas Zuber, Betriebsleiter bei der Energieversorgung Baden-Württemberg (EnBW), alle Gäste davon überzeugt, in die Einwegoveralls und die Überschuhe zu schlüpfen und Handtaschen oder Rucksäcke im Informationszentrum zu lassen. 25 000 Kubikmeter Trinkwasser befinden sich in den insgesamt drei Kammern des Hochbehälters.

Die Halle, die als erste besichtigt wird, ähnelt mit ihren Säulen einer Tropfsteinhöhle. Ein schmaler Steg führt hindurch und unter den Besuchern geht es viereinhalb Meter hinab bis zum Grund. Rund eine Million Kubikmeter Wasser fließen jährlich durch die insgesamt drei Hallen des 1874 erbauten Gebäudes. Gespeist wird der Hochbehälter aus dem Pfaffensee, dem Bärensee, dem Neuer See sowie dem Katzenbach und dem Steinbach. Unter den 44 Hochbehältern, die in Betrieb sind, ist er der älteste. Schon ihr Name weist darauf hin: Alle stehen auf erhabener Position, denn Wasser fließt bekanntlich bergab.

Bis 1998 gab es noch ein drittes Versorgungssystem

Aber die Herkunft des Wasser, mit dem von den Standorten aus die Stadtgebiete versorgt werden, ist unterschiedlich. Ein Teil kommt aus dem Bodensee, ein Teil aus dem Donauried bei Langenau. Würde eines der beiden Versorgungssysteme ausfallen, könnte das andere diesen Verlust ohne Probleme ausgleichen, betont Thomas Zuber.

Bis 1998 gab es noch ein drittes Versorgungssystem: die eigenen Wasserwerke. 1998 wurden sie von den damaligen Neckarwerken Stuttgart stillgelegt.

Der Hochbehälter an der Hasenbergsteige ist der einzige, der besichtigt werden kann und in dessen Eingangsbereich Fotos und ein Modell mit den Standorten der Hochbehälter über die hochkomplexe Wasserversorgung für den Kessel und die Hanglagen informieren.

Im Stadtbad Heslach fließt Kaltentaler Wasser

Neben technischen Details erfährt der Besucher bei den Führungen von EnBW-Qualitätsmanager Norbert Höger auch einiges über die Geschichte der Wasserversorgung im Nesenbachtal. Da die Kernstadt seit jeher wasserarm gewesen sei, wurden im 14. Jahrhundert in Kaltental mehrere Quellen gefasst.

So entstanden damals schon zwei verschiedene Wasserversorgungssysteme, die Jahrhunderte überdauerten. Und wer im Stadtbad Heslach seine Bahnen schwimmt, tut dies bis heute in Kaltentaler Quellwasser. Das Hallenbad ist der einzige Ort, der mit Stuttgarter Wasser versorgt wird.

Ältester Hochbehälter steht auf dem Schlossplatz

Der älteste Hochbehälter steht auf dem Schlossplatz. Es ist die Merkursäule, die zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert von einem Holzbottich gekrönt war. Aus ihm floss das Wasser für die königlichen Springbrunnen.

Von Reinheit des Wasser konnte damals freilich keine Rede sein: Typhus und Cholerabakterien tummelten sich darin. Deshalb wurde in den Waisenhäusern Wein ausgeschenkt, weil der keine Infektionen auslöste. Die letzte große Epidemie forderte 1905 fünf Todesopfer. Sie war durch einen Privatbrunnen ausgelöst worden. In der Folge wurden gegen den Widerstand der Besitzer 4000 solcher Brunnen geschlossen.

Eine Seuche gab es danach nie wieder. Auch die Leitungen sind in Stuttgart unbedenklich, betont Norbert Höger, denn Blei wurde in Württemberg nie verwendet. Der Arzt und Apotheker Paracelsus hatte schon im 16. Jahrhundert entdeckt, dass Vieh, das aus Bleitrögen trank, unter Wachstumshemmungen litt. Die modernen Leitungen sind aus Stahlguss und haben im Inneren eine Beschichtung aus Zement, damit das Trinkwasser erst gar nicht mit Metall in Verbindung kommt.

Kompliziertes Versorgungssystem

Versorgungssystem

Die Bodenseewasserversorgung wurde 1954 gegründet. Die Stadtteile West, Süd und ein Teil des Nordens werden damit beliefert. Der andere Teil des Nordens sowie Mitte und Ost bekommen so genanntes Landeswasser aus dem Donauried. Geschmacklich gibt es keinen Unterschied.

Druckausgleich

Das Stuttgarter Wassersystem gilt als das komplexeste Deutschlands. 300 Höhenmeter müssen zwischen den einzelnen Kunden überwunden werden. Deshalb gibt es 64 Wasserzonen, für den Ausgleich des Drucks werden elf Turbinen eingesetzt. Das Leitungsnetz umfasst 2 500 Kilometer.

Qualitätssicherung

Wasserqualität und Druck werden rund um die Uhr überwacht. Am Tag verbrauchen die Bundesbürger pro Kopf 123 Liter Wasser und bezahlen dafür in Stuttgart 24 Cent.

Informationen über Führungen unter www.enbw.com/stuttgart // Informationen überFührungen im Internet unter www.enbw.com/stuttgart