In dem Haus Böblinger Straße 81 war einst der Kunstfälscher Konrad Kujau daheim. Heute betreibt die Familie D’amico dort das Restaurant La Rucola.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Heslach - Von dem berühmten einstigen Besitzer des Restaurants an der Böblinger Straße 81 ist heute nicht mehr viel zu sehen. Die Heimat des Hitler-Tagebuch-Fälschers Konrad Kujau war Heslach. Im Jahr 1983 wurde der Kunsthandwerker und Künstler mit abgebrochenem Studium als Fälscher entlarvt. Für 9,3 Millionen Mark hatte er zuvor über seinen Kontaktmann Gerd Heidemann, einem Hamburger Reporter, der Zeitschrift Stern gefälschte Hitler-Tagebücher verkauft. Seine Kopien waren so gut, dass der Betrug erst Wochen später aufflog. Kujau wurde zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

 

Als er bereits nach drei Jahren aufgrund seiner Krebserkrankung freikam, ließ er sich wieder in seinem alten Stadtteil Heslach nieder. Dort betrieb er in der Böblinger Straße 81 seine „Galerie der Fälschungen“ und die schwäbische Kneipe Alt-Heslach. Aufgrund der Berühmtheit ihres Inhabers soll die Kneipe damals Kult-Status genossen haben.

Stammkunden kommen vornehmlich im Winter

Seit Juni 2012 wird in dem Gebäude mit der idyllischen Hinterhof-Terrasse auf Originalität gesetzt – italienische Originalität. Statt Kunstfälschungen stehen dort nun Pizza, Pasta und Pesce von Familie D’amico auf der Karte. „Aber wir werden schon oft auf unseren berühmten Vormieter angesprochen“, sagt der Sohn Riccardo, der im La Rucola für den Service, Events und die Weinauswahl zuständig ist.

Zahlreiche Stammkunden aus dem Süden besuchen inzwischen das kleine Ristorante in Heslach. Allerdings, so bedauert Papa Rocco D’Amico, vornehmlich im Winter. „Viele wissen gar nicht, was wir für eine schöne Terrasse hinten haben“, vermutet sein Sohn Riccardo. Dabei schmecken Pizza und Aperol Sprizz an den Tischen mit den rot-weiß-karierten Tischdecken und im weißen Korbsessel gleich viel besser. Und wenn man nicht nach vorne auf die Böblinger Straße schaut, kann man sich auch ein bisschen vorstellen, man wäre in Süditalien.

Das „süße Nichtstun“ noch ein paar Jahre verschoben

Daher stammt auch Familie D’amico ursprünglich. In den 1970-er-Jahren hat sich Papa Rocco von Apulien aus nach Deutschland aufgemacht und ist in Stuttgart gelandet. Seitdem ist er ein Vollblut-Gastronom. Nach Stationen im Hotel am Schlossgarten in der City, in Degerloch, Fellbach und Ostfildern-Nellingen war er eigentlich schon fast im Ruhestand. Als seine Söhne Rocco Junior und Riccardo den Wunsch nach einem eigenen Restaurant äußerten, ließ der Papa seine alten Kontakte spielen und besorgte seinen Jungs die Immobilie. Am Herd steht der 62-Jährige seitdem auch wieder. Er will seinen Söhnen unter die Arme greifen und ihnen seine Zukunft bieten. Die „famiglia“ bedeutet ihm alles. Dafür verschiebt er gerne das „dolce far niente“, also „das süße Nichtstun“ noch um ein paar Jährchen.

Auch wenn er seine Heimat bereits 1979 verlassen hat, verfügt Rocco D’amico über viele Kontakte in Italien, sagt er. Häufig sei er dort auf der Suche nach neuen Rezepten und Kreationen, welche die Deutschen noch nicht kennen. „Ich bin Fanatiker von gute Sache“, beschreibt Rocco D’amico seine Aufgabe im Restaurant seiner Söhne.

Während sich sein Sohn Riccardo – in Heslach geboren – als Italo-Schwabe bezeichnet, ist der Papa im Herzen Italiener geblieben. „Ich habe es mir hier in Stuttgart gemütlich gemacht und lebe einfach wie in Italien“, sagt er und lacht. Er schaue italienisches Fernsehen und esse italienisch. Am liebsten seine eigene Pizza, gerne auf seiner Hinterhofterrasse in Heslach.

Von seiner Heimat vermisst er nur das Meer. Das könne er aber heute jederzeit schnell erreichen. Vor 30 Jahren sei er für einen Besuch in Italien 40 Stunden im Zug gesessen. Heute dauert der Flug zwei Stunden. „Ich kann in Heslach zu Mittag essen und in Italien zu Abend.“ Ganz zurück ans Meer will er nicht mehr. Da denkt der Papa inzwischen ganz deutsch-pragmatisch: „Nur von de Salzwasser kann ja keine Mensch leben.“