Ein offenbar gefährlicher Sexualstraftäter, verängstigte Eltern und ein ungewöhnlicher Brief – im sonst so beschaulichen Hessigheim herrscht helle Aufregung. Der Grund: der Bürgermeister hat die Bevölkerung vor einem neuen Einwohner gewarnt.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Hessigheim - Ein offenbar gefährlicher Sexualstraftäter, verängstigte Eltern und ein ungewöhnlicher Brief – im sonst so beschaulichen Hessigheim herrscht helle Aufregung. Der Grund: Am Mittwochabend hat der Bürgermeister Günther Pilz die Grundschule, die Kindergärten und die Kinderkrippe gewarnt, dass in dem Ort „seit einigen Wochen ein Mann wohnhaft ist, der als besonders rückfallgefährdeter Sexualstraftäter eingestuft ist“. Nach Auskunft des Kriminalkommissariats Ludwigsburg, schreibt Pilz, sei eine Gefahr speziell für Kinder und Frauen nicht auszuschließen. Daher seien Eltern zu informieren, dass ihre Kinder „bis auf Weiteres den Weg in die Kindertageseinrichtungen und nach Hause nicht mehr ohne Begleitung bestreiten sollen“.

 

Der Sexualstraftäter stammt nach Informationen dieser Zeitung ursprünglich aus dem Kreis Heilbronn. Er war wegen verschiedener Sexualdelikte zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, im Herbst 2016 entlassen worden und nach Hessigheim gezogen. Dass ein Bürgermeister die Bevölkerung vor einem Einwohner warnt, ist ein wohl nahezu einmaliger Vorgang. Die Nachricht verbreitete sich schnell, auch über Hessigheim hinaus, unzählige Eltern meldeten sich danach bei der Gemeinde oder der Polizei. „Bei uns stand zeitweise das Telefon nicht mehr still“, sagt Peter Widenhorn, der Sprecher des Ludwigsburger Polizeipräsidiums, das über die Aktion von Günther Pilz sichtlich verärgert ist. „Man hätte die Bevölkerung nicht in dieser Art und Weise in Beunruhigung versetzen müssen“, kritisiert Widenhorn.

Der Mann galt nach seiner Entlassung als weitgehend ungefährlich

Dabei handelte der Bürgermeister, wie sich nun zeigt, nicht ohne Grund. Sexualstraftäter werden bei ihrer Entlassung in drei Gefährdungskategorien eingeteilt, der Neu-Hessigheimer war in die unterste Stufe eingruppiert worden, das heißt: Er galt fortan als weitgehend ungefährlich. Am Freitag aber wurde er in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Es habe in jüngster Zeit Hinweise „auf eine nachteilige Verhaltensveränderung“ gegeben, so das für solche Fälle zuständige Landratsamt.

Pilz sagt, der für den Fall zuständige Kripobeamte habe ihn bereits am Mittwoch darüber informiert, dass von dem Mann eventuell wieder eine Gefahr für Kinder und Frauen ausgehe. Alle weiteren Schritte, auch das Schreiben an die Kindergärten und die Schule, habe er mit diesem Polizisten abgestimmt. „Ich musste reagieren“, sagt der Bürgermeister. Dass das Präsidium ihm nun einen Vorwurf mache, wundere ihn. „Ich würde wieder so handeln.“

Zuschulden kommen hat sich der Sexualstraftäter seit seiner Entlassung offenbar nichts. Allerdings müssen alle Personen, die Sexualdelikte begangen haben, gewisse Auflagen erfüllen: beispielsweise regelmäßig Psychologen aufsuchen und sich bei der Polizei melden.

Ein Kripo-Beamter hatte Verhaltensänderungen festgestellt

Ein Kripobeamter habe zuletzt in den Gesprächen Verhaltensänderungen bei dem Mann festgestellt, erklärt Widenhorn. Aus diesem Grund habe man beim Landratsamt die psychiatrische Untersuchung angeregt, auf deren Basis der Mann sofort in die Psychiatrie überstellt worden sei. Das alles, so Widenhorn, habe man unabhängig von dem Brief des Bürgermeisters veranlasst. „Das Schreiben wäre gar nicht notwendig gewesen, wir hatten bereits entsprechende Maßnahmen eingeleitet.“ Er unterstelle Pilz keine böse Absicht. „Es kann sein, dass es ein Missverständnis zwischen ihm und unserem Beamten gab.“

Auch bei Günther Pilz meldeten sich Dutzende Eltern. „Meine Intention war nie, Panik zu verbreiten“, sagt er. Ihm sei es darum gegangen, dass Kinder sich in dieser Situation nicht allein auf den Weg machen. „Trotz all der Aufregung – wenn es jetzt ein gutes Ende findet, bin ich froh.“

Wie lange der Sexualstraftäter in der geschlossenen Psychiatrie bleibt, ist unklar. „Er ist jetzt in ärztlicher Obhut“, sagt Peter Widenhorn. „Es obliegt den Gutachtern zu entscheiden, ob und wann er wieder in die Freiheit entlassen werden kann.“