Nach zwei Jahren im Amt funktioniert die Koalition zwischen der CDU und den Grünen in Wiesbaden einwandfrei. Sie könnte zum Vorbild für andere Landesregierungen werden – vielleicht sogar für den Bund.

Wiesbaden - Dass der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und sein heutiger Stellvertreter Tarek Al-Wazir (Grüne) erbitterte politische Gegner waren und sich noch im Landtagswahlkampf aufs Heftigste bekämpften, klingt heute wie ein Märchen aus grauer Vorzeit. Dabei ist es erst zwei Jahre her, dass die beiden die erste schwarz-grüne Koalition in einem deutschen Flächenland begründet haben. Ob das gut gehen werde, fragten sich viele, als die neue Landesregierung Mitte Januar 2014 die Arbeit aufnahm, manche wollten gar schon Wetten auf eine eher kurze Lebensdauer des ungewöhnlichen Bündnisses abschließen. Alles vergessen.

 

Demonstrativ treffen sich die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen am Dienstag sogar zu einer gemeinsamen Sitzung. Offiziell ist diese nur als „gemeinsamer Jahresauftakt“ deklariert. Unmittelbar vor dem zweiten Jahrestag der Vereidigung des schwarz-grünen Kabinetts am 18. Januar 2014 wirkt das Meeting aber schon wie eine verkappte Geburtstagsfeier. Volker und Tarek, wie sich die beiden Spitzenrepräsentanten als heutige Duzfreunde ansprechen, können sehr gut miteinander, aber auch auf Fraktionsebene arbeiten CDU und Grüne geräuschlos und harmonisch zusammen. Greift die Opposition im Landtag einen CDU-Minister an, stellen sich regelmäßig auch die Grünen vor ihn – und umgekehrt.

Opposition kritisiert Stillstand

Für SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel ist die zur Schau gestellte Einigkeit von Schwarz-Grün indes kein gutes Zeichen. Die Regierungsparteien konzentrierten alle Kraft darauf, nach außen keine Konflikte auftreten zu lassen. Manchmal erscheine ihm das als deren einziges Ziel. Politisch herrsche an vielen Stellen Stillstand, kaum etwas gehe voran, kritisiert er. Und die Grünen hätten sich ein Stück weit aufgegeben, äußerten sich zu nichts, was nach Streit aussehen könne. Die CDU bestimme die Regierungspolitik.

Al-Wazir und seine Partreifreunde sehen das natürlich ganz anders. Ob beim Schutz von Bannwald, Ökolandbau, Tierschutz, Radwegebau oder Auflagen in der Jagdverordnung: An vielen Stellen zeige sich, dass Hessen „grüner“ geworden sei. Nicht zufällig fehlt das Thema Frankfurter Flughafen meist bei solchen Aufzählungen. Dem im Oktober begonnenen Bau des umstrittenen dritten Terminals konnte Al-Wazir lediglich sein demonstratives Fernbleiben beim ersten Spatenstich entgegensetzen, während Bouffier den Airport als „Herzmuskel“ wirtschaftlicher Prosperität lobt. Allerdings war von vornherein klar, dass der Flughafenbetreiber Fraport Baurecht hatte, so dass die Handlungsmöglichkeiten der Grünen begrenzt blieben.

Koalition zeigt sich stabil

Jedenfalls ist die Hessen-Koalition so stabil, dass ihr auch der Austritt der Grünen-Landtagsabgeordneten Mürvet Öztürk aus der Fraktion der Partei nichts anhaben konnte. Ihr Schritt erfolgte aus Protest gegen die Zustimmung der Grünen zu den Asylrechtsverschärfungen mit dem Flüchtlingspaket im Bundesrat. Doch gerade die Flüchtlingspolitik in Hessen kann Schwarz-Grün als gelungene Bewährungsprobe verbuchen. Mit einem Aktionsplan schaffte die Koalition Hunderte neuer Stellen bei Lehrern, Polizei und in den Flüchtlingsunterkünften sowie Deutschkurse und andere Verbesserungen. Um die Flüchtlingspolitik – im Gegensatz zum Bund – ganz aus dem Parteienstreit herauszuhalten, trug auch die oppositionelle SPD bei. Deren Landeschef Schäfer-Gümbel spricht von einer „Verantwortungsgemeinschaft“, handelte noch mehr Geld für Wohnungsbau und Ganztagsschulen aus und stimmte mit seiner Fraktion dem Flüchtlingsteil des Landeshaushalts zu.

Als Beispiel für Nachahmer ist Schwarz-Grün in Hessen durchaus vorzeigbar. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg tendieren Al-Wazirs Parteifreunde vor den Landtagswahlen aber klar zur SPD. Doch das galt auch für die hessischen Grünen, bevor das Wahlergebnis weder eine rot-grüne noch eine schwarz-gelbe Mehrheit zuließ. Weitere schwarz-grüne Koalitionen würden wohl auch die Chancen für eine solche Konstellation im Bund erhöhen.