Der Bosch-Standortchef erklärt Unternehmern, dass in ihrer Stadt das Gehirn der Zukunftsmobilität sitzt.

Leonberg - Die Zukunft hat schon längst begonnen, und sie ist gar nicht weit weg. Wer nach Stuttgart ins Mercedes-Museum fährt, kann dort im Parkhaus beobachten, wie Autos sich selbst ihren Stellplatz suchen. Ohne menschliches Zutun.

 

Doch bei dieser unwirklich anmutenden Szenerie sind nicht etwa magische Kräfte im Spiel, sondern findige Ingenieure aus Leonberg. Mitten in der Stadt befindet sich das Hauptquartier für alle Entwicklungen im Bereich automatisiertes Fahren des Weltunternehmens Bosch. Der Leonberger Zentrale zugeordnet sind Standorte in den Vereinigten Staaten, Mexiko, China, Japan, Korea, Indien, Australien, Ungarn und Rumänien.

Hauptquartier in Leonberg

Die Gäste beim Unternehmerempfang in der Stadthalle staunen nicht schlecht, als ihnen Stephan Stass erzählt, was bei ihnen vor der Haustür alles geht. Der Chef des Leonberger Bosch-Standorts ist Hauptredner des Treffens, bei dem die Stadt alljährlich Unternehmer und Führungskräfte einlädt. Ein Dankeschön für deren wirtschaftliches Engagement.

Was auch nicht jeder weiß: Nicht etwa Geze oder Lewa sind die größten Arbeitgeber Leonbergs, sondern Bosch. In der Tat mag man kaum glauben, dass das Firmengelände zwischen Poststraße und Dieselstraße 1700 Mitarbeiter beherbergt. Doch wie so oft, trügt auch hier der Schein. Auf kleiner Fläche arbeiten die Ingenieure an der mobilen Zukunft. Und die hat mit Menschen am Steuer recht wenig zu tun.

Das Fahrzeug kümmert sich um alles allein

„Im Jahr 2020“, so verkündet Stephan Stass seinen Zuhörern, „kümmert sich ein Fahrzeug um alles allein. Schon ein Jahr zuvor wird jedes Auto einen Internetanschluss haben.“ Das seien keine kühnen Thesen, sondern sehr reale Szenarien, sagt der Leonberger Bosch-Chef und verweist auf die eingangs erwähnten selbst einparkenden Autos im Mercedes-Museum.

Dass künftig Roboter die Wagen lenken werden und der Mensch nur noch im Ausnahmezustand eingreift, ist in den Augen des Ingenieurs eine Art globale Lebensversicherung. 1,3 Millionen Verkehrstote sind immer noch jährlich zu beklagen. 90 Prozent der Unfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Doch dass mit fortschreitender Technik die Zahl der Todesfälle deutlich gesenkt werden kann, belege die Statistik in Deutschland. Gab es vor 30 Jahren bei uns noch 13 000 Verkehrstote, so waren es im vergangenen Jahr lediglich 3200.

Weniger Unfälle durch Technik

Stass führt das auf Innovationen wie das elektronische Stabilitätsprogramm oder die automatische Notbremse zurück. Die wurde in Leonberg entwickelt und erkennt beispielsweise im Nebel ein Stauende viel früher als ein menschliches Auge. Mittlerweile ist der VW Golf mit einem Radarsensor ausgestattet. „Unsere Vision ist das unfallfreie Fahren“, sagt der Chefentwickler.

Aber auch das Thema Parken und Staus treibt die Leonberger Tüftler um. Im Schnitt 60 Stunden im Jahr verbringt jeder Mensch im Stau. Und 30 Prozent des Verkehrs in den Millionenmetropolen besteht aus reiner Parkplatzsuche. Abhelfen könne die digitale Vernetzung der Autos, bei der Informationen über Staus oder freie Parkplätze automatisch weitergegeben werden. Taxis, in denen der Chauffeur ein Roboter statt eines Menschen ist, erwartet Stephan Stass in vier Jahren.

30 Prozent Wachstum

Die rasante Entwicklung hat gerade den Leonberger Standort weit nach vorne gebracht. „Wir haben modernste Arbeitsmethoden, die mit denen von vor fünf Jahren aber auch gar nichts mehr zu tun haben“, erklärt der Chef. „Leonberg ist das Silicon Valley der Fahrassistenz.“ Und das braucht kreative Köpfe. 500 neue Mitarbeiter wurden in Leonberg in den vergangenen zwölf Monaten eingestellt. „Wir platzen aus allen Nähten“, räumt Stass ein. Und es sind junge Menschen, die in der Dieselstraße in die Zukunft starten. Altersmäßig ist Leonberg in Deutschland der jüngste Standort.

Ein erfolgreicher obendrein. 30 Prozent Wachstum verzeichnen die Leonberger. Der Umsatz von einer Milliarde Euro soll in zwei Jahren verdoppelt werden. Zehn Millionen Radarsensoren wurden verkauft, gut vier Millionen Rückfahrkameras und drei Millionen Frontkameras. Auch zur Stadthalle hat Bosch einen engen Bezug. Hier treffen sich Entwickler aus der ganzen Welt regelmäßig zum Ideenaustausch.