Weihnachten ist das Familienfest schlechthin. Doch über 1000 Stuttgarter Kinder und Jugendliche feiern in Heimen oder Wohngruppen der Jugendhilfe. Sie können aus unterschiedlichen Gründen nicht zu ihren Eltern.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Weihnachten ist das Familienfest schlechthin. Doch mehr als 1000 Stuttgarter Kinder und Jugendliche feiern in Heimen oder Wohngruppen. Sie können nicht zu ihren Eltern. Dabei sehnen sich viele von ihnen so sehr nach einer Familie, dass sie in der Einrichtung behaupten, sie feierten zu Hause. „Plötzlich tauchen sie wieder auf, und ich weiß, dass sie gar nicht heimgefahren sind“, berichtet Adrian Buchali. Er betreut im Johannes- Falk-Haus männliche Jugendliche und Männer im Alter zwischen 16 und 27 Jahren. Neben den Bewohnern kommen an den Feiertagen die „Notübernachter“ hinzu, die sonst auf der Straße sitzen würden.

 

Die schwierigste Situtaion des Jahres

Gefeiert wird im großen Speisesaal mit Würstchen und Kartoffelsalat. Auch Geschenke gibt es. „Wir bedienen die Jungs an Heiligabend“, sagt Buchali. Keiner muss Küchendienst machen, aber mancher kommt dann doch zu ihm an den Herd, um sein Herz auszuschütten. „Weihnachten macht mit uns allen etwas. Das ist die prekärste Situation im ganzen Jahr“, schildert er seine Erfahrungen.

Lukas lebt seit neun Jahren im Heim

In einer der Außenwohngruppen der Stiftung Jugendhilfe aktiv (SJ aktiv) ist schon drei Tage vor Heiligabend die gemeinsame Feier. Von den neun Kindern und Jugendlichen, die hier leben, werden auch über die Feiertage drei in der Wohngruppe bleiben. Die anderen fahren zum Onkel oder zur Oma. So wie der 13-jährige Lukas (alle Namen geändert). Seit neun Jahren ist er hier und schätzt die kleinen Rituale bei der Weihnachtsfeier. Erst schmücken alle gemeinsam den Baum, dann fahren sie mit den sechs Betreuern in ein Restaurant zum Essen. „Ich nehme immer Toast Hawaii“, grinst Lukas, und die anderen brechen in lautes Gelächter aus: „Das isst er jedes Jahr“, sagt Marc Roller, einer der Sozialpädagogen.

Liebevolle Weihnachtsdekoration

Er wird auch über die Feiertage seinen Dienst machen: „Am 24. kochen wir Rehgulasch, Rotkraut und Knödel. Zum Nachtisch haben sie sich Bratäpfel gewünscht“, verrät er. Außerdem gehen sie in die Kirche, und am Abend werden Spiele gemacht. Die Geschenke gibt es bei der Weihnachtsfeier, nach dem Verlesen einer lustigen bayerischen Adventsgeschichte. Jeder durfte sich etwas wünschen. Bei Max (14) sind es die Harry-Potter-Bände zwei bis fünf. Die Feiertage verbringt er bei seinen Großeltern. „Meine Eltern wollen nichts von mir wissen, seit ich eineinhalb war“, erzählt er.

„Jeder hier sehnt sich nach einer Familie. Das können wir nicht auffangen“, beschreibt Tina Kopp vom Betreuerteam die Situation. Darüber täuschen auch die gemeinsam gebackenen Plätzchen, bei deren Entstehung Nicole (11) seit fünf Jahren mitwirkt, und die liebevolle Weihnachtsdekoration nicht hinweg.

Eltern fühlen sich überfordert

Fünf Träger der Jugendhilfe stellen in Stuttgart insgesamt 360 stationäre Heimplätze. Viele Kinder sind hier, weil ihre Eltern psychisch krank sind. „Dies ist immer häufiger der Grund“, weiß Tina Kopp. Andere Kinder wurden vernachlässigt oder misshandelt, manche Eltern fühlen sich oder sind mit der Erziehung überfordert.

Selbst geschmiedete Weihnachtsbäume

Im Gegensatz zur Wohngruppe, die schon kleinen Kindern eine Heimat geben will, versteht sich Scout am Löwentor als Übergangsstation in besonders schwierigen Phasen. Die Jungs, die hier landen, haben einiges hinter sich und erfahren jetzt strenge Regeln. Zur Weihnachtsfeier am 22. Dezember kamen einige der Ehemaligen. Das freut den Leiter der Einrichtung, Jochen Salvasohn, besonders. „Es bedeutet, dass wir doch vieles richtig machen.“

In der Werkstatt entstanden die Stahlweihnachtsbäume, und die Jungs feierten eher lautstark mit einem Tischfußballturnier. Das startete nach dem Essen und dem obligatorischen Gruppenfoto. Später bei Kaffee und Kuchen wurden gemeinsam Fotos angeschaut, und jeder bekam ein Geschenk. Einige Jungs bleiben über die Feiertage in ihrer Gruppe. Dort wird noch einmal, allerdings gemütlich, gefeiert: „Für unsere Jungs ist das neu. Sie kennen Weihnachten von zu Hause nicht“, sagt Salvason.

Hilfe für den Nachbarn

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