Leprakranke haben im Mittelalter in dem kleinen Geislinger Gotteshaus um Rettung für ihr Seelenheil gebetet. Längst ist die Krankheit besiegt, und nun muss die Siechenkapelle gerettet werden.

Region: Corinna Meinke (com)

Geislingen - Seit Monaten sind erneute Rettungsarbeiten für die Geislinger Siechenkapelle im Gange, um die Sanierungsfehler der Vergangenheit aufzuarbeiten. Vor mehr als 20 Jahren wurde das Kulturdenkmal aus dem 14. Jahrhundert, das zu einer weitläufigen Hospitalanlage für Leprakranke gehörte, schon einmal saniert. Allerdings zeigten jetzt Gips- und Salzausblühungen sowie pudernde Malschichten an den äußerst wertvollen gotischen Malereien im Innern, das dringend gehandelt werden muss. Dazu hat die Kommune für rund 128 000 Euro eine Entsalzung der Fassade beauftragt.

 

Weltgericht und Passionszyklus

Bevor die spätgotischen Wandmalereien konserviert werden können, müsse das Mauerwerk der Kapelle entsalzt werden, erläuterte Stefan Dangelmaier vom städtischen Hochbauamt. Bereits vor Jahren wurden die wertvollen Fresken, die einen Passionszyklus, ein Weltgericht und eine Auferstehungsszene darstellen, von Studenten der Akademie der bildenden Künste Stuttgart erfasst. Bereits seit Mai wurde in mühevoller Handarbeit und in enger Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege der Fugenmörtel an den Außenmauern der Kapelle im Sockelbereich bis zu einer Höhe von zwei Metern entfernt. Offenbar hatte man bei der ersten Sanierung zementhaltigen Mörtel verwendet, der eine zu hohe Dichte aufweist und deshalb die Feuchtigkeit im Mauerwerk nicht regulieren kann.

Die Steine ziehen Wasser wie Würfelzucker

In dem hier verbauten Donzdorfer Sandstein hat das Salz, das durch die Feuchtigkeit ins Mauerwerk eindringen kann, zu gravierenden Schäden geführt, berichtet Dangelmaier. „Diese Porenhaltigkeit der Steine kann man sich vorstellen wie bei einem Würfelzucker“, erklärt dazu der Restaurator Georg Schmid von der auf Restaurierung und Denkmalpflege spezialisierten Firma Aedis in Ebersbach-Roßwälden, die sich im Auftrag der Stadt Geislingen um die Entsalzung kümmert.

In einem zweiten Schritt sind die Fugen inzwischen mit einem hydraulischen Kalkmörtel verfugt worden, der nun seine feuchtigkeitsregulierende Wirkung entfalten soll. Jetzt folgt die eigentliche Entsalzung, die einige Wochen Zeit brauchen wird, wie der Steinmetz Felix Bobke auf der Baustelle erklärt. Bobke trägt dabei einen zwei bis drei Zentimeter starken Putz von Hand auf. Diese Kompressen bleiben mehrere Wochen auf dem Mauerwerk, bis die Masse durchgetrocknet ist. Der Erfolg der Entsalzung soll anschließend von der Materialprüfanstalt Stuttgart kontrolliert und dokumentiert werden.

Im September pilgert der Gemeinderat zur Kapelle

„Wie es mit dem äußeren Erscheinungsbild der Siechenkapelle anschließend weitergeht, hängt von den Ergebnissen der Entsalzung ab“, sagt Dangelmaier. Fest stehe der Termin 28. September, an dem sich der Gemeinderat bei der Siechenkapelle treffen wird, um das weitere Vorgehen zu beraten.Wenn das Mauerwerk auch dann noch einen hohen Salzgehalt aufweisen sollte, könnte ein so genannter Opferputz aufgebracht werden. Nach einigen Jahren werde diese Schicht wieder entfernt, erklären die Fachleute, denn sobald dieser Putz mit Salzen gesättigt ist, habe er seinen Dienst getan.

Unklar ist offenbar, ob die Kapelle in früheren Zeiten verputzt oder unverputzt war. Die Verwendung unterschiedlicher Steinarten und Steingrößen, die zudem wenig bearbeitet wurden, deutet Schmid als Hinweis auf einen früheren Verputz. Es sei keine Gestaltungsabsicht zu erkennen. Die Kapelle, die als letztes Bauwerk Zeugnis ablegen kann von einer 1811 abgebrochenen mittelalterlichen Siechenhausanlage für Leprakranke, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Nachdem der Bund das Gebäude jahrzehntelang verkommen ließ und als Geräteschuppen für die Straßenbauverwaltung missbrauchte, kaufte die Stadt Geislingen das Denkmal. Dank des mehr als 20-jährigen, auch finanziellen Engagements des Geislinger Kunst- und Geschichtsvereins konnte das Gebäude gesichert werden. Heute dient es im Sommer als Konzert- und Ausstellungsraum.