Die Landesregierung regelt die Behandlung von Schwerstabhängigen mit künstlichem Heroin. Pro Standort soll es einen Investitionszuschuss geben.

Karlsruhe - Nach langen politischen Auseinandersetzungen beginnt demnächst die gesetzlich abgesicherte Therapie von schwerstabhängigen Suchtkranken mit Diamorphin. Es sei davon auszugehen, dass die Stadt Karlsruhe so schnell wie möglich einen Genehmigungsantrag stellen werde, heißt es in der Vorlage des Sozialministeriums für die morgige Kabinettssitzung. Auch in Stuttgart seien die Planungen so weit abgeschlossen, dass zeitnah mit der Aufnahme der diamorphingestützten Substitution gerechnet werden könne.

Bei Diamorphin handelt es sich um im Labor hergestelltes Heroin. Die Behandlung verfolgt das Ziel, Schwerstabhängige von der Beschaffungskriminalität zu lösen und so weit gesundheitlich wieder herzustellen, dass sie in weiterführenden Therapien ganz von der Drogensucht befreit werden. In einem Modellversuch, an dem sich die Stadt Karlsruhe beteiligt hatte, war die Diamorphinbehandlung erprobt worden.

"Heroin auf Rezept" wird es nun geben


Allerdings versperrte sich die CDU jahrelang einer gesetzlichen Verankerung der Therapie und deren Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Besonders hartnäckig hielt sich der Widerstand in der Südwest-CDU, die sich gegen das "Heroin auf Rezept" wandte. Sozialministerin Monika Stolz, eine Befürworterin der Diamorphinbehandlung, erlitt im Herbst 2006 auf einem CDU-Landesparteitag eine spektakuläre Niederlage, konnte sich am Ende aber durchsetzen.

Im Juli vergangenen Jahres trat das Bundesgesetz in Kraft, das einen Rechtsanspruch für Schwerstabhängige auf eine Diamorphinbehandlung schuf. Danach oblag es den Bundesländern, eine geeignete Versorgungsstruktur aufzubauen.

Der Personenkreis, für den diese Therapieform in Frage kommt, ist überschaubar. Das Sozialministerium geht von 200 bis 300 Schwerstabhängigen im Land aus. Das Gesetz verlangt, dass nur derjenige eine Diamorphinbehandlung erhält, der seit fünf Jahren opiatabhängig ist, schwerwiegende körperliche und psychische Störungen aufweist und zwei erfolglose Therapieversuche mit Methadon hinter sich hat.

Es soll keine flächendeckende Versorgung geben


Methadon erzeugt anders als Heroin beim Süchtigen keinen "Kick". Kurzum, es handelt sich um Menschen, von den Sozialministerin Stolz sagt, dass ihnen anders nicht mehr geholfen werden könne. Allein schon wegen der vergleichsweise geringen Zahl der Betroffenen scheidet eine flächendeckende Versorgung der Patienten mit Diamorphin aus. Die Vergabe müsse auf hochkompetente Zentren in Ballungsräumen beschränkt werden, heißt es in der Kabinettsvorlage. Neben Karlsruhe und Stuttgart sind dafür Freiburg, Mannheim, Heilbronn, Tübingen/Reutlingen, Singen, Ulm und Ravensburg vorgesehen.

In einem politischen Rückzugsgefecht bestanden die Gegner und Skeptiker der Therapie darauf, diese stationär in den Zentren für Psychiatrie zu verankern. Dagegen wandten sich die Fachleute mit dem Argument, eines der wichtigsten Ziele der Behandlung bestehe gerade darin, die Patienten in ihrem gewohnten Lebensumfeld - zu dem idealerweise auch eine Arbeitsstelle gehört - zu stabilisieren und auf ein drogenfreies Leben vorzubereiten. So soll es nun auch geschehen, freilich unter Einbeziehung der Psychiatriezentren, die als Träger oder Mitträger der städtischen Therapieeinrichtungen in Frage kommen.

Die Behandlungszentren unterliegen strengen Auflagen. Nur dort darf sich der Patient seine Diamorphindosis spritzen. Dreimal am Tag muss dies möglich sein, auch an Wochenenden und Feiertagen. Die Zentren müssen mindestens drei Ärzte beschäftigen und gegen Einbruch und Diebstahl gesichert werden. Das Land hat dazu ein Sicherheitskonzept entwickelt.

Die Kosten tragen die gesetzlichen Krankenkassen


Die Kosten der Diamorphinvergabe tragen die gesetzlichen Krankenkassen. Die Vergütung der Ärzte muss noch geregelt werden. In der Kabinettsvorlage heißt es, werde die Behandlung zu schlecht bezahlt, fänden sich keine qualifizierten Ärzte, werde sie zu gut bezahlt, werde der Wechsel von Diamorphin auf andere Substitutionsmittel erschwert. Die therapiebegleitende psychosoziale Betreuung der Patienten liegt in der Finanzierungsverantwortung der Kommunen.

Bleiben noch die Aufwendungen für die Sicherheitsvorkehrungen und die damit verbundenen Umbauten. Das Sozialministerium rechnet dafür pro Standort mit 120.000 bis 150.000 Euro. Der Städtetag sieht dabei das Land in der Pflicht. "Eine kommunale Finanzierung kommt nicht in Betracht", sagt Städtetagssprecher Manfred Stehle. Das Sozialministerium ist zu einem Investitionszuschuss von 100.000 Euro für jeden neuen Standort bereit. Der bisherige Modellstandort Karlsruhe soll 50.000 Euro bekommen.