Eine Gruppe aus Schülern, Lehrern und Eltern von der Freien Evangelischen Schule in Stuttgart-Möhringen haben beim Bau eines Hauses in einem Roma-Dorf geholfen. Dabei haben sie mehr gelernt als nur handwerkliche Fähigkeiten.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Der letzte Punkt im Leitbild der Freien Evangelischen Schule (FES) heißt „Verantwortung“. Dieser Punkt war auch das Thema der ersten Morgenandacht nach den Sommerferien in der Schule auf den Hengstäckern in Möhringen. Und das aus einem bestimmten Grund. Denn Ende Juli hatten sich sieben Schüler, drei Lehrer und ein Vater auf den Weg nach Rumänien gemacht. „Sie haben Verantwortung für ihre Mitmenschen übernommen, und zwar ganz praktisch“, sagte die Gesamtschulleiterin Carmen Behling.

 

Es war der Beginn eines großen Projekts. Ausgangspunkt war das vor vier Jahren an der FES gegründete Team „Be the Change“. Übersetzt bedeutet das in etwa „Mach’ selbst den Unterschied“. „Wir wollten das, was wir jede Woche und jeden Tag in der Theorie an der Schule besprechen, in die Tat umsetzen und was losbrechen“, sagte Klaus Stäudle. Er ist Lehrer an der FES und seit vielen Jahren mit einer Familie in Rumänien befreundet. Liviu und Damaris Opresko waren einst seine Nachbarn, bevor sie als Missionare zurück in ihre Heimat gingen. So kam auch der Kontakt zwischen der FES und der internationalen Organisation Somebody cares zustande, die soziale Projekte weltweit organisiert.

Deutschland ist „eine Insel der Glückseligen“

Die Mission der Gruppe von der FES war es, in einem kleinen Roma-Dorf nahe der Stadt Pitesti beim Bau eines Hauses zu helfen. Es sollte die neue Heimat für eine Großmutter und ihre beiden Enkelinnen werden. „Die Mutter der Kinder ist gestorben; der Vater kümmert sich nicht um seine Familie. So steht die Oma allein da“, erklärte Stäudle. Die Großmutter habe keine Chance mehr, selbst Geld zu verdienen und sei daher besonders bedürftig.

Als die Schüler der FES in dem Dorf ankamen, stand schon der Rohbau des Hauses. Die Möhringer bauten das Dach. Und weil sie noch Geld übrig hatten, veranlassten sie, dass der Rohbau auch noch Fenster bekommt. „In Rumänien sinken die Temperaturen im Winter nachts nicht selten unter minus 25 Grad. Ich weiß nicht, wie man das ohne Fenster im Haus aushalten kann“, sagte Stäudle.

Doch es ging um mehr als nur um den Hausbau. „Wir haben uns auch um die Kinder gekümmert, einen Kinderabend organisiert und einen Gottesdienst gestaltet“, sagte Stäudle. Er war mit seiner Frau und seinen vier Kindern im Alter zwischen einem und acht Jahren nach Rumänien gereist. „Wir leben hier in Deutschland auf einer Insel der Glückseligen. Aber die wenigsten leben so wie wir. Ich wollte, dass meine Kinder das sehen“, erklärte der Lehrer.

Heftige Eindrücke für die Schüler

Auch den Neunt- und Zehntklässlern war nicht bewusst, unter welchen Umständen Menschen in Europa zum Teil leben. Die Gruppe fand ein abgeschiedenes Dorf am Ende eines lang gezogenen Tals vor, in dem etwa 100 Familien „hausen“, wie Stäudle es formulierte. „In vielen Häusern gibt es keine Toilette, es ist dreckig und es stinkt“, beschrieb der Lehrer die Situation in Rumänien. Die Menschen seien sehr freundlich, aber in einer Lethargie gefangen, gelähmt vom Schmutz und der Härte des täglichen Lebens. Für Bärbel Golze ist das auch die Folge der Jahrhunderte langen Ausgrenzung der Roma. „Sie wurden schon immer ins Abseits gedrängt“, sagte die Leiterin des Realschulzweigs an der FES.

„Für die Schüler waren das heftige Eindrücke. Doch sie haben sie in sich aufgesogen. Die Jugendlichen kamen jeden Morgen wieder motiviert zur Arbeit. Es war wirklich eine super Schülertruppe“, betonte Stäudle in der Morgenandacht. Die Mädchen und Jungen, die mit nach Rumänien gefahren sind, können ihren Mitschülern ein solches Projekt nur empfehlen. „Wir haben sehr interessante Erfahrungen gemacht und hatten jede Menge Spaß“, sagte eine der Reisenden. „Es ist krass, wenn man sieht, wie die Menschen dort leben. Man kennt das von Bildern, aber in der Realität ist das noch mal was ganz anderes“, ergänzte ihre Freundin.

In einem Jahr ist in Rumänien die Global Christian School Conference, bei der sich Vertreter christlicher Schulen zum Gedankenaustausch treffen. Dort werden die Jugendlichen von der FES von ihrer Reise berichten. Und irgendwann soll es wieder einen Einsatz geben. „Wir bleiben an dem Thema auf alle Fälle dran“, betonte Golze.