Es ist zwar eine Kopie der Kleinen braunen Himmelsmaschine von Philipp Matthäus Hahn, aber diese einmalige Replik ist trotzdem ein ähnlich großes Wunder wie das Original. Das Museum in Echterdingen will die Rarität nun erwerben.

Echterdingen - Alfred Leiter ist einer der Letzten seiner Art. Der Experte für die Reparatur und Rekonstruktion antiker Uhren beherrscht Handwerkstechniken, die heute kaum noch jemand kennt. Wenn ihm beim Restaurieren einer antiken Uhr ein passgenaues Werkzeug fehlt, ist das kein Problem für ihn. „Ich drehe es mir an meiner Werkbank einfach selbst“, sagt er.

 

In der Gedankenwelt des Schöpfers

Eines der Meisterwerke des heute 90-Jährigen ist der exakte Nachbau der Kleinen braunen Himmelsmaschine, die Philipp Matthäus Hahn (1739 – 1790) anno 1789 in Echterdingen konstruiert hatte. Sie zeigt nicht nur die Zeit, sondern auch den Sonnenstand und die Mondumläufe an. Um solch eine Uhr nachzubauen, muss sich der Rekonstrukteur in der Gedankenwelt ihres Schöpfers auskennen, also erkennen, wie Hahn die Bewegung der Gestirne in Drehungen von Zahnrädern heruntergerechnet hatte. Alfred Leiter zeigt auf sein Bücherregal. In der Breite von rund eineinhalb Metern steht Literatur von und über Philipp Matthäus Hahn. „Ich habe alles durchgearbeitet. Hahn zu studieren, ist nicht einfach. Er hat mechanisch und religiös gedacht, das Religiöse kann ich nicht nachvollziehen, in seine Mechanik kann ich mich aber reindenken“, sagt Alfred Leiter.

Wenn er heute ein Rad sehe, erkenne er, ob es von einem Hahn-Fräser stamme. „Hahn wusste, dass er besser sein musste als seine Kollegen in Frankreich, der Schweiz und England. Deshalb hat er sich für Zylinderhemmungen entschieden. In Deutschland konnte sie keiner machen“, schwärmt Leiter. Hahns Überlegung sei gewesen, dass die Unruh, welche die Uhr in Schwung hält, immer die gleiche Kraft bekommen müsse.

Als Leiter 1989 mit der Rekonstruktion der Himmelsmaschine begann, hatte er bereits eine einzigartige Karriere hinter sich. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Donaumonarchie in Nationalstaaten floh sein Vater aus Sternberg im heutigen Tschechien über Polen nach Wien, wo er 1923 eine Uhrmacherwerkstatt eröffnete. Später zog er nach Bayern, wo sein Sohn Alfred 1926 in Landshut geboren wurde. An der Werkbank des Vaters aus dem 18. Jahrhundert lernte Alfred Leiter schon den Umgang mit Werkzeug, das heute kaum mehr jemand handhaben kann. „Der gemeinsame Traum von meinem Vater und mir war es, zusammen eine astronomische Uhr zu bauen.“ Der Traum wurde nie Wirklichkeit, denn Leiters Vater starb bei einem Verkehrsunfall im Jahre 1945.

Lehre beim Hofuhrmacher

1941, im Alter von 15 Jahren, kam Leiter in die Lehre beim Hofuhrmacher des Fürsten von Thurn und Taxis in Regensburg. Durch die Sammlung des Fürsten erwarb er umfassende Kenntnis antiker Uhren und deren Restaurierung. Nach dem Kriegsdienst von 1944 an in Norwegen arbeitete der Uhrmacher in den Nachkriegsjahren auch in Juweliergeschäften: „Dadurch habe ich Optiker und Juwelier gelernt, alles Fertigkeiten, die mir später zugute gekommen sind.“ Von 1952 an schließlich machte sich Leiter einen Namen in der Pforzheimer Uhrenindustrie. Für Arctos entwickelte er die erste deutsche Quarzarmbanduhr mit elektronischer Anzeige und eine Kardiouhr zur Überwachung des Herzens. Weil es ihn nervte, dass die hochfrequenten Bohrer der Zahnärzte das Wasser nicht genau an die Stellen brachten, die zu kühlen waren, erfand er einen hochmodernen Bohrer. Leiters Leidenschaft blieben jedoch antike Uhren, die er auch fürs Württembergische Landesmuseum in Stuttgart restaurierte.

Auf Philipp Matthäus Hahns Kleine braune Himmelsmaschine kam Leiter durch den Kornwestheimer Freundeskreis Philipp Matthäus Hahn. Für diesen sollte er die Uhr, die zusammen mit dem Nachlass des Besitzers aus Hannover 1987 auf einer Auktion in London unter den Hammer kam, ersteigern. Leiter flog dafür in die britische Metropole, aber er musste angesichts des Preises passen.

Den Zuschlag erhielt das Württembergische Landesmuseum. „Es wollte, dass ich die Uhr wieder in den Zustand versetze, in dem sie 1938 war, bevor sie unsachgemäß verändert wurde“, erzählt Leiter. Beim Restaurieren kam ihm der Gedanke, die Uhr als Replik für das Landesjubiläum nachzubauen. „Wer Hahns Denken nicht kennt, dem gelingt dies nicht“, sagt er.

Er fand einen 80-jährigen Emailleur

Deshalb ist Alfred Leiter vielleicht der Einzige, der solche Repliken zu fertigen vermag, der nicht nur das komplexe Werk gedanklich nachvollziehen kann, sondern alle Messingteile an der Drehbank originalgetreu nachbaut. Hahn hatte sich für seine Berechnungen eigens Rechenmaschinen gebaut, die bis zu 14 Stellen hinter dem Komma darstellten. Leiter kennt aber auch die letzten Meister, die Teile in Originaltechnik herstellen, die er selbst trotz seines immensen Könnens nicht selbst bauen kann. Dies war auch beim Glanzstück der Kleinen braunen Himmelsmaschine der Fall – dem Himmelsglobus. Er besteht aus zwei Halbkugeln aus Silber, die passgenau aufeinender gefügt wurden.

Für die Emaille-Arbeit fand er in Pforzheim einen 80-jährigen Emailleur. Die Kugeln hat dieser erst grau grundiert. Dann zeichnete er die Tierkreissymbole auf und bemalte sie miteinem dunklen Blau. Der Himmel selbst ist hellblau. Dazu brannte er die verschiedenen Schichten der Kugel siebenmal im Ofen bei etwa 700 Grad – immer bei konstanter Temperatur, damit nichts sprang. Der Sinn des Ganzen: Nur so vermischen sich die unterschiedlichen Blautöne nicht. „1000 Fixsterne sind auf der Kugel zu sehen, sie ist so gut geworden wie das Original, aber der Emailleur hat drei Monate lang daran gearbeitet“, sagt der Meister. Die drei Hermen aus Messing, welche die Kugel tragen, hat er in selbst gefertigten Formen gegossen.

Warum geben er und andere Experten alter Techniken ihre Berufsgeheimnisse nicht weiter? „Wir haben dafür in Pforzheim eine Schule gründen wollen, und ich sollte unterrichten“, sagt Leiter. „Aber die Kultusbürokratie hat abgelehnt, weil ich kein Abitur habe.“

Museum will Replik kaufen

Die Replik der „Kleinen braunen Himmelsmaschine“ soll einen Platz im Stadtmuseum in Echterdingen finden. Dafür setzt sich Hans Huber ein. Er ist der Vorsitzende des Stadtmuseums-Fördervereins und Fraktionschef der Freien Wähler im Gemeinderat von Leinfelden-Echterdingen. Als die Stadträte im November im Verwaltungs-, Kultur- und Sozialausschuss über den Haushalt sprachen, wollte die SPD-Vizefraktionsvorsitzende Barbara Sinner-Bartels wissen, was sich hinter „Erwerb Kleine Himmelsmaschine“ verbirgt. Dieser Posten stand nämlich auf der Änderungsliste, weil die Stadt dafür nicht 4500 Euro, sondern 34 500 Euro geben sollte. Die Stadträte des Ausschusses stimmten am Ende der Diskussion für die Aufstockung.

Der „Uhrmacher Gottes“ war am Werk

Der Oberbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen, Roland Klenk, erläuterte den Räten, worum es geht: „Das ist eine originalgetreue Kopie der Kleinen braunen Himmelsmaschine, die Philipp Matthäus Hahn einst gebaut hatte.“ Damit sprach er den wohl berühmtesten Einwohner der Stadt an. Hahn lebte von 1739 bis 1790 und galt als „Uhrmacher Gottes“. Seine letzte berufliche Station war Echterdingen, wo er Pfarrer war, sich aber auch als Mechaniker, Konstrukteur und Erfinder betätigte. Hahn lebte in der Ortsmitte im Pfarrhaus, das noch heute existiert. Im Erdgeschoss hatte Hahn seine Werkstatt. „Er selbst arbeitete dort aber nicht, sondern seine Mitarbeiter setzten seine Ideen um“, sagt Wolfgang Haug als Leiter des Stadtmuseums. Er erzählt, dass Hahn sich als Werkzeug Gottes sah. „Er hat Tag und Nacht bis zur Erschöpfung gearbeitet.“ Seine Devise sei es gewesen, zur Ehre Gottes viel zu leisten und immer bessere Werke zu schaffen. „Er hat auch nie Dinge in Serie hergestellt, sondern immer nur Einzelstücke, sagt Haug. Er hat bereits bei Firmen um Spenden für den Kauf der Replik der Kleinen braunen Himmelsmaschine gebeten. Alfred Leiter hat sie 1989 angefertigt, und er hat auch bereits das Original restauriert. Die Kleine braune Himmelsmaschine von 1781 steht nun im Württembergischen Landesmuseum.

Die Replik ist mit 90 000 Euro nicht gerade billig. Der Eigentümer möchte sie loswerden, am liebsten an eine Kommune, die einen Bezug zu Hahn hat. „Wenn wir sie nicht nehmen, wird sie entweder bei Christie’s in London oder in den USA versteigert“, warnte Huber während der Sitzung des Verwaltungsausschusses. Er hält viel davon, sie zu kaufen. „Wir haben noch nichts Gescheites als Ausstellungsstück von Philipp Matthäus Hahn“, sagte er.

Zum Kauf fehlen noch 20 000 Euro

Haug berichtet, dass es von Hahn wenige Taschenuhren als Replik im Museum gibt. „Das ist weniger als wenig“, sagt Haug. Die Stadt habe es versäumt, Werke von Hahn zu sammeln, als die Preise niedrig waren. „Andere seiner Wirkungsorte wie Onstmettingen und Kornwestheim haben das getan. Leinfelden-Echterdingen hat sich im Glanz gesonnt, dass er hier seine neun letzten Jahre verbracht hat“, kritisiert Haug. Damit die Himmelsmaschine bald im Stadtmuseum steht, braucht der Verein nun noch 20 000 Euro.

Wer für den Kauf der Himmelsmaschinen-Replik spenden möchte, kann Geld auf das Konto des Fördervereins Stadtmuseum Leinfelden-Echterdingen e. V. überweisen. Die IBAN lautet: DE48 6006 2775 0006 0020 05 und die BIC GENODES1ECH