Der „Himmelsstürmer“ von Schwäbisch Gmünd ist nicht nur Ausflugsziel, sondern vor allem beispielhaftes Bürgerprojekt: mit viel Engagement der Gmünder wurde der 38 Meter hohe Holzturm für die Gartenschau gebaut.

Schwäbisch Gmünd - An dieser Stelle fünf Ratschläge zur Errichtung eines Aussichtsturms: man nehme, erstens, eine gehörige Portion gepfefferten Größenwahns und tilge damit alle begründeten Zweifel am Gelingen eines solchen Bauprojekts. Zweitens: man verlasse sich nicht darauf, ausgerechnet an der Stelle flammenden Enthusiasmus und Geldmittel zu finden, wo beides fehlt, nämlich bei den Wächtern der öffentlichen Haushalte. Stattdessen gehe man selber mit der Sammelbüchse herum und gründe zu diesem Behelf einen Verein.

 

Drittens fasse man beim Bau des Turms so weit möglich selbst mit an und lasse sich niemals entmutigen. Auch nicht durch die Paragrafenreiter vom Brandschutz. Man verlasse sich viertens darauf, dass ganz zum Schluss, wenn praktisch alles steht, doch noch offene Begeisterung bei führenden Ortspolitikern durchbricht. Fünftens: man feiere ausgelassen die erbrachte Leistung.

Die Vorlage zu dieser kleinen Rezeptliste stammt aus Schwäbisch Gmünd, der „Hauptstadt der Ehrenamtlichen“, wie der Aalener Landrat Klaus Pavel (CDU) aus gegebenem Anlass lobte. Gerade hatte sich der Freundeskreis Himmelsstürmer gegründet, zum Ehrenvorsitzenden wurde der Gmünder Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) gewählt. Es sei „leichter, zum Mond zu fliegen oder beim Papst eine Audienz zu bekommen, als in Deutschland eine Baugenehmigung für einen Turm“, seufzte der Rathauschef damals. Natürlich hat er sich in erster Linie für dieses Projekt gefreut, das aus städtischen Mitteln wohl niemals hätte entstehen können.

Himmelsstürmer, so heißt also Baden-Württembergs neuester Aussichtsturm und das Wahrzeichen der aktuell laufenden Landesgartenschau. Sie haben die 38,6 Meter hohe Konstruktion aus Brettsperrholz auf den höchsten Punkt über der Stadt gesetzt, in den Landschaftspark Wetzgau, in direkte Nachbarschaft zu den Weleda-Pflanzgärten. Da wird der Turm auch nach der Blumenschau stehen bleiben, als Erinnerung an eine schöne Zeit, vor allem aber als Beispiel dafür, was bürgerschaftliches Engagement bewirken kann.

Die Spiegelkacheln scheinen die Turmkonturen aufzulösen

Aus 3700 Lärchenholzschindeln besteht die Turmfassade, darin eingestreut und sich nach oben verdichtend 1300 Spiegelkacheln. Der architektonisch gewollte Effekt ist es, dass sich die Konturen des Himmelsstürmers nach oben hin auflösen, es scheinbar zu einer Verbindung mit Sonne und Wolken kommt. Aus den Bauplänen wurde zugleich ein Finanzierungsmodell gemacht. Schon Monate vor der Landesgartenschau konnte jedermann die Fassadenspiegel kaufen: einen ganzen für 100 Euro und einen halben für 50. Auch die 209 Stufen hinauf sind angeboten worden: 600 Euro für einen ganzen Tritt, 300 für einen halben.

180 000 Euro sind auf diesem Weg zusammengekommen, mehr als die Hälfte der Gesamtbaukosten. Den anderen Teil brachte die Landesgartenschau auf. Auf dem Weg hinauf sind die Spender auf gravierten Metallschildern verewigt: Privatpersonen, Firmen, Vereine, Verbände, politische Fraktionen, das ganze Abbild dessen eben, was man Gemeinwesen nennt.

So etwas gab es ähnlich schon mal in Stuttgart mit dem Bau des Killesbergturms 2001. Damals war zwar gerade keine Landesgartenschau in der Landeshauptstadt, aber die Idee zum Turmbau war ein Überbleibsel früherer Blumenschaupläne. Ein Hindernis war, insbesondere in den 90er Jahren, die Hungerkrankheit der öffentlichen Kassen gewesen. Gebaut werden konnte erst nach dem Jahrtausendwechsel, als sich der Stuttgarter Verschönerungsverein der Sache angenommen hatte.

Erhabene Aussicht auf die Drei Kaiserberge

Zum ersten Mal kann man jetzt von der Wetzgau-Hochebene aus einen Blick auf die Dächer der drunten liegenden Stadt gewinnen. Das Münster zeigt sich, die Johanniskirche und der Fünfknopfturm. Etwas versetzt und höher gelegen lugt der Abgasschlot des neu gebauten Einhorn-Straßentunnels aus den Fichtenwipfeln. Nie aber war die Aussicht auf die Drei Kaiserberge erhabener als von diesem Turm aus.

40 Meter tiefer wimmeln lustig die Besucher der Landesgartenschau um Blumenrabatten, Wasserspiele und nachgebaute altenglische Gärten. Man möchte den Herumirrenden eines Labyrinths zurufen, wohin sie sich wenden müssen, unterlässt das aber aus Bosheit. Die Anlage besteht übrigens nicht aus Mais oder anderen geläufigen Gewächsen, sondern aus Hanf. Kein Mensch erahne, was es bedeute, in Deutschland ein Hanflabyrinth genehmigt zu bekommen, seufzte der Gmünder OB Arnold bei der Eröffnung des Turms. Aber das ist eine andere Geschichte.

Details zum Himmelsstürmer

209 Stufen führen auf den 38,6 Meter hohen Holzaussichtsturm. Die Treppe führt um einen inneren Kern aus zwölf Zentimeter dickem Brettsperrholz und über mehrere Podestebenen nach oben. Der Turm liegt im Gartenschaubereich „Himmelsgarten“ oberhalb der Stadt. Die Besteigung ist derzeit also kostenpflichtig. Von der Stadtmitte aus fahren Busse dorthin, es gibt aber auch einen nahe gelegenen Parkplatz. Die Landesgartenschau erstreckt sich über etwa 14 Hektar Land–, 1 Hektar Wasser- und 15 Hektar Waldfläche. Sie dauert noch bis 12. Oktober 2014.