Beim Hip Hop Open haben alle ihren Platz: die jungen Hüpfer, die Headliner und auch jene Hip-Hop-Helden, die im alten Reitstadion ein Heimspiel feiern. Das sitzt, und am Ende nicken unter dem Abschlussfeuerwerk auch alteingesessene Hip-Hop-Fans zur reichlich undogmatischen Musik von Casper. 

Stuttgart -"Wenn alle auf dem Open sind!“, singen die ersten Acts, die an diesem Samstagmorgen auf der Bühne auf dem Cannstatter Wasen stehen. Das Hip-Hop Open 2014 ist damit eröffnet – mit einem Publikum, das überwiegend irgendwann Mitte der Neunziger geboren ist, mit dem jungen Hip-Hop-Nachwuchs aus Stuttgart und alten Hasen aus New York.

 

1:  Die Hip-Hop-Hüpfer

Als der Anruf kam, hatte Marz nur einen Gedanken: dass der Burger kalt wird. Der junge Stuttgarter Rapper saß gerade in einem Restaurant in Berlin. Als er hörte, worum es geht, war der Burger aber schnell vergessen. „Open“ flüsterte er in Richtung Sickless, der mit ihm am Tisch saß, ebenfalls Stuttgarter Rapper ist und dem der Anruf genauso galt. „Ich saß nur da und hab gegrinst. Wir haben den restlichen Tag wie die Könige verbracht“, erinnert sich Sickless.

Jetzt stehen die beiden auf der Bühne und eröffnen mit dem dritten im Bunde, Nasou, das eintägige Hip-Hop-Festival. Als erster Act aufzutreten ist mitunter kein einfacher Job, es ist Samstagmorgen, 11:30 Uhr, viele sind schon auf dem Platz, die meisten aber trudeln gerade erst ein oder stehen noch in der Schlange am Eingang. Auch das Wetter mag nicht so recht mitspielen, es nieselt. „Ganz okayes Wetter“ sagt Nasou trotzdem und rappt gegen die Regenwolken an. Das klappt ganz gut: Die Musik des Stuttgarters mit tunesischen Wurzeln bewegt sich irgendwo zwischen Hip-Hop, Soul und Reggae. Sommerliche Klänge, die dem Regenwetter trotzen.

2: Die Hip-Hop-Helden

Das Publikum ist überwiegend jung. Sehr jung, die meisten sind schätzungsweise irgendwann Mitte der 90er-Jahre geboren. Wer etwas auf sich hält trägt Jeansshorts und Turnbeutel. Einige der US-Rapper, wie Dilated Peoples, die seit Jahrzehnten im Geschäft sind, sind angesichts des Publikums einigermaßen skeptisch und fragen zur Sicherheit mal in die Runde, ob sie auch alle kennen. „For real?“ Echt jetzt? Ob auch alle das Album kennen? Ein paar heben die Hand. Dilated Peoples lachen und rufen: „Ihr lügt doch!“

3: Das Hip-Hop-Heimspiel

Ein Heimspiel haben nicht nur Marz, Sickless und Nasou. Auch die Orsons, sind als Vertreter der Mutterstadt am Start, mit Afrob außerdem ein Hip-Hop-Open-Urgestein. Hip-Hop, Stuttgart und Afrob gehören untrennbar zusammen: „Ich definiere mich über diese Stadt. Alles was ich mache und sage, hat mit Stuttgart zu tun“, sagt er. Der Stuttgarter stand schon beim allerersten Festival vor zwölf Jahren auf der Bühne. Am Samstag mit einem alten Bekannten, mit Samy Deluxe. „Ich wusste gar nicht, dass er hier ist. Ich wollte auf die Bühne und plötzlich stand er da“, sagt Afrob. Ob das nun der Wahrheit entspricht oder nur eine schöne Geschichte ist, sei dahingestellt. Die beiden zünden jedenfalls wie gewohnt ein Feuerwerk. Pinkfarbene Rauchwolken ziehen übers Publikum, während Samy und Afrob ihre Klassiker raushauen.

Afrob sieht das junge Publikum nicht ganz so skeptisch. „Wenn du Hip-Hop liebst, dann liebst du auch die alten Sachen“, sagt er. Damit meint er Nas, den Rapper aus New York, der direkt nach ihm auf der großen Bühne steht – und zwar mit seinem Album „Illmatic“ von 1994. Ein legendäres Album, das bis heute als eines der besten Hip-Hop-Alben der Welt gilt. Angesichts dessen ist Afrob nicht mehr nur Künstler an diesem Abend sondern auch Fan: „Das ist so eine Ehre, dass Nas hier ist und seine Musik durch den Stuttgarter Himmel hallt“, sagt er nach dem Konzert.

4: Die Hip-Hop-Headliner

Der Headliner ist schließlich einer, der im Vorfeld des Opens viel Kritik einstecken musste: Casper. Oder vielmehr die Veranstalter, weil sie den Künstler gebucht haben. Caspers Musik ist nicht so recht einzuordnen: ist das noch Hip-Hop oder schon Pop- oder sogar Rockmusik? Casper scheint das nicht entgangen zu sein: „Ich weiß, dass sich manche einen anderen Headliner gewünscht hätten. Aber es ist toll, dass wir hier sein dürfen.“

Dabei wär seine Entschuldigung gar nicht nötig gewesen. Den Kids im Publikum ist es ziemlich egal, in welche Schublade seine Musik gesteckt wird, sie grölen mit, das Feuerwerk knallt und die Show sitzt. Ein toller Abschluss, bei dem auch die dogmatischsten aller Hip-Hop-Fans zumindest kurz wenn keiner kuckt mit dem Kopf imTakt nicken.
 

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