Vor 20 Jahren entstanden im Süden nie gehörte Beats. Plötzlich war es cool, aus Stuttgart zu sein. Eine Keimzelle des deutschen Raps war Die Kolchose. Bei den Hip-Hop-Open treffen am Wochenende die Urväter auf die neue Garde.

Stuttgart - Schowi steht auf der Dachterrasse mit Blick über die Häuser von Stuttgart. In der Ferne sticht der Fernsehturm in den Himmel, unten ist der Rotebühlplatz mit seinen neuen Bodenplatten – wie zum Beweis, dass sich die Dinge in den Straßen der Stadt verändert haben. Noch immer ist Jean-Christoph Ritter alias Schowi von der Band Massive Töne als DJ viel unterwegs. Er trägt immer noch schicke Nikes. Aber nicht mehr zu weitem Schlabberlook, sondern zu schmalen Jeans. Der 37-Jährige wohnt jetzt in Berlin, kommt eher selten in seine Heimat.

 

Er und die anderen Hip-Hop-Urväter sind zusammengekommen, um die Stadt noch mal zu rocken. Bei den Hip-Hop-Open steigt die legendäre Kolchose wieder in den Ring. So wie früher, als in Stuttgart etwas ganz Neues begann. Vor 20 Jahren kamen aus dem Süden Beats, die plötzlich alle aufhorchen ließen und Stuttgart auf die musikalische Landkarte setzten. Die Fantastischen Vier hatten den Weg bereitet. Als eine Art Gegenbewegung zu dem locker-leichten Sprechgesang der Vier entstand die Kolchose, aus deren Schoß Bands wie Freundeskreis, die Krähen, Skills en masse, Afrob und die Massiven Töne hervortraten.

Die Telefonvorwahl wurde zum Inbegriff der Bewegung. 0711 bedeutete Hip-Hop aus Stuttgart und wischte das spießige Image der Stadt aus den Köpfen, als hätte die Kolchose gründlich die Kehrwoche im Kessel gemacht und den alten Staub rausgefegt. Jetzt war es auf einmal cool, aus Stuttgart zu sein. Hier entstand ein neuer Stil: Hip-Hop mit Haltung und Wortwitz, deutschsprachig, kritisch, selbstbewusst.


„Wir besetzen Botschaften in totgesagten Wortschätzen, Esperanto hält Einzug in bundesdeutschen Vorstädten. Unser Lingo ist der Ausdruck dieses Schmelztiegels, wir bringen euch Hip-Hop- Sound, in dem sich die Welt spiegelt. Weil wir den Blick bewahrten und wir selbst blieben.Das ist für die Heads, die Raps aus 0711 lieben. Das Miliano Mondano mit der Mischpoke. Don Philippo und Frico, dem Discjockey. Die Philosophie Streetpoetrie. Lingua franca für Linke und Einwanderer.“ (aus „Esperanto“ von Freundeskreis, 1999)