Nur noch wenige Tage bis zum Hip-Hop Open! In einer kleinen Hip-Hop-Open-Serie stellen wir euch in den nächsten Tagen die drei jungen Stuttgarter vor, die das Open eröffnen werden. Weiter geht's mit Sickless.

Stuttgart - Spätestens seit März 2014 ist der Rapper Sickless bei einem breiteren Publikum angekommen und tritt Deutschlandweit auf. Da erschien sein beachtetes Debütalbum „Horus“, das mit guten Produktionen und ausgefeilten Texten trumpft. Jetzt der lokale Ritterschlag: Sickless steht am kommenden Samstag auf der Hip-Hop Open Hauptbühne.

Du trittst mit Marz und Nasou auf dem Open auf. Von Marz wissen wir schon, dass ihr gerade in Berlin beim Essen saßt, als die Anfrage aus Stuttgart kam. Was war deine erste Reaktion, außer dass der Bruger kalt wird (so Marz)?
Die ganze Situation war eh total skurril. Eigentlich wollten wir nur ein bisschen raus – Stadturlaub und so. Kumpels besuchen, sich beim splashMag und bei der JUICE vorstellen. Dann kam der Anruf und Marz hat ganz groß die Augen aufgerissen, flüstert „OPEN!“ und geht raus. Ich saß nur da, zurückgelassen und hätte in Ruhe essen können. Konnte ich aber nicht. Ich saß nur da und hab gegrinst. So richtig breit. Wir haben den restlichen Tag wie die Könige verbracht.

Schon nervös, oder just another Gig?
Nervös noch gar nicht, das kommt erst wenn ich dann tatsächlich vor bzw. auf dem Gelände stehe. Dann aber richtig. Aber komischerweise bin ich gleichzeitig auch total entspannt, weil unser Progrämmchen sitzt und ich weiß, dass es ein Heidenspaß wird.

Das „Progrämmchen“ der „Klasse von '13“, wie Marz, Nasou und du euch nennt auf einem Song. Wie kamt ihr zusammen?
Nasou macht etwas andere Musik (reggae- und gesangslastiger, d. Red.) als Marz und ich, da ist der Vibe und das Feeling das Stichwort. Wir beide sind ja eher so die Technikrapper und haben keinerlei Gesangstalent. Trotzdem kannte, respektiert und feierte man sich. Das „Klasse von 13“-Ding war eigentlich total spontan. Ich habe einen Beat der 90er Hip-Hop-Band Pharcyde gepickt, Marz gefragt und letztendlich haben wir noch eine catchy Hook gebraucht. Nasou war zur Stelle und hat den Song perfekt abgerundet. Der Track war super spontan und das Feedback war klasse. Der Song war der finale Impuls für die 0711-Crew, uns für das Open anzufragen. Der „Klasse von 14“-Song ist ein Dankeschön, eine Zugabe und ein weiteres Beispiel dafür, dass die Stadt lebt.

 



Die Stadt lebt. Also steht es deiner Meinung nach gut um die lokale Rap-Szene.
Stuttgart wächst schon seit Jahren extrem zusammen, wie ich finde. Als ich 2009 nach Stuttgart gekommen bin, war die Rap-Szene noch etwas zerfahren. Mittlerweile ist das ein großes Miteinander, weil man halt auch merkt, dass man gemeinsam mehr erreichen kann. Wir haben in Stuttgart eine extrem hohe Dichte an guten MCs und abwechslungsreichen Stilen und genau diese Bandbreite tut der Szene ja auch gut.

Bist du selbst, mit jetzt 24, von der Generation davor, also Massive Töne, Afrob und Co aus den 90ern, beeinflusst?
Ich komme vom Kaff und da war das Internet mein Fenster zur Welt. Ich habe so ziemlich alles an Rap aufgesaugt, was ging, egal ob Eimsbush, Royalbunker und Aggro, Ruhrpott, Kolchose, Dipset, Schießmichtot. Aus dem Grund bin ich gar nicht so lokalfixiert beeinflusst. Aber privat höre ich tatsächlich immer noch extrem viel Rap aus den 90ern - dass die Zeit extrem geil war, kann ich nicht leugnen.

Wie kamst du selbst zum Rappen? Gab es eine Initialzündung?
Ich hatte schon immer irgendwie ein Faible für Sprache und Reime und so war Rap halt wie prädestiniert dafür. Meine ersten Texte habe ich ins MZEE-Forum gestellt, irgendwann kam die erste Audioaufnahme. Ich mach Musik seitdem ich 16 bin. Eine wirkliche Initialzündung gab es nicht. Viel mehr eine stetige und konstante Entwicklung, die halt so nebenher im Alltag lief. Dass ich jetzt auf den großen Bühnen des Landes stehe, war so eigentlich nicht geplant.

Anfang März erschien dein Album "Horus". Du bezeichnest es als Debütalbum, obwohl du schon davor Releases hattest.
Jedes Mixtape und jede noch so kleine Veröffentlichung via Internet war berechtigt und wichtig, weil man sich ein bisschen austoben und die Leute bei Laune halten konnte. Allerdings war das alles immer sehr semiprofessionell, das hört man auch extrem raus. „Horus“ haben wir als erstes großes Projekt gesehen und sind es auch so angegangen: Projektplan, Finanzierung, Produktion, Vertrieb, Marketing. Das hat alles mehr oder weniger gut geklappt und wir konnten essenzielle Erfahrungen sammeln. Natürlich arbeiten wir mit wirscheissengold auf einer viel kleineren Skala, aber es hat funktioniert. Von dem her würde ich schon behaupten, dass „Horus“ das Werk ist, womit ich unsere Musik gerne präsentieren würde.



Mit eurem Label wirscheissengold wollt ihr euch – laut eigener Aussage - als dritte Kraft neben Chimp und 0711 etablieren. Wer wie was steckt alles hinter wirscheissengold?
WSG ist 2011 bei einem Videodreh entstanden. Ich hatte einfach eine Hand voll talentierter und motivierter Leute um mich rum, die Lust hatten, mal ein bisschen Gas zu geben. Ich betone weiterhin, dass wirscheissengold kein Musiklabel ist, weil uns dazu noch der professionelle Vertrieb, die nötige Struktur und die bürokratischen Grundlagen fehlen – aber was nicht ist, kann ja noch werden. Wir schimpfen uns eher Kreativkollektiv. Das wir mit wenig Mitteln viele Menschen erreichen, hat sich ja bereits gezeigt. Das Prinzip ist: so weit wie möglich, so autark wie möglich. Mit Chimperator und 0711 herrscht ein freundschaftliches Verhältnis, ich glaube hier nimmt keiner irgendwem etwas weg. Das gemeinsame Angehen der Hip-Hop-Open-Geschichte ist alles noch viel mehr zusammengerückt und profitieren tun eigentlich alle davon.

Zurück zu "Horus" – wer ist das eigentlich?
Horus war ein Falkengott der ägyptischen Mythologie und genoss ziemlich hohes Ansehen. Er verkörperte Recht und Ordnung, sorgte für Wärme und Licht und war als Falke angriffslustig, scharfsinnig und ein guter Kämpfer. Das Vorgänger-Mixtape vor „Horus“ trug den Namen „Seth“, er war der göttliche Gegenpol und stand für Unordnung und Dunkelheit. „Seth“ entstand zeitgleich zu meiner Bachelorthesis, als ein ordentliches Chaos bei mir herrschte. Ich lege den Fokus in meinen Texten weniger auf die mythologischen Hintergründe, sondern mehr auf die Symboliken, mit denen in der Mythologie gespielt wird.

Die Texte sitzen, genauso wie die Beats. Sind Sickless und sein Produzent Drum Quixote die neuen Eric B. & Rakim, Guru & Gangstarr oder auch Eins, Zwo?
Definitiv! Dass ich im Studium Drum Quixote kennenlernen durfte, war wohl der größtmögliche Segen für meine Musik. Mit ihm zu arbeiten macht unfassbar Spaß und die Produktivität und Effizienz ist enorm. „Horus“ entstand ausschließlich in der Nacht, ich finde das hört man. Drum Quixote ist wohl der talentierteste Mensch, den ich kenne. Er kommt ursprünglich aus dem Jazz / der EDM und ist eher zufällig und über mich beim Hip-Hop gelandet. Der Beat zu „Astronaut“ war sein erster Hip-Hop-Beat überhaupt. Ich würde mich extrem freuen, wenn die Gegebenheiten passen und ich ein zweites Album mit ihm machen könnte. Und checkt seinen Radiohead-Remix auf Youtube. Tut es.

Die erste Jahreshälfte ist um, was steht 2014 noch an?
Wir würden neben der zweiten Single „Jib Job“, die in diesen Tagen erschienen ist, noch gerne ein, zwei weitere Videoauskopplungen zu „Horus“ drehen. Des Weiteren steht Marz‘ Album im Herbst an, die Bookings nehmen zu und eine kleine eigene Tour ist auch angepeilt. Auch strukturell passiert viel im Hintergrund. Wir optimieren ständig unsere Homepage und den dazugehörigen Webshop, legen weitere wichtige Gleise für Bereiche wie Vertrieb, Booking und P&R und bauen kontinuierlich am Studio im Büro weiter. Das braucht alles seine Zeit, aber ich weiß, dass sich die harte Arbeit irgendwann auszahlen wird.

Mehr Infos gibt's hier und hier.