Die Baden-Württemberger Sozialdemokraten fahren erneut ein historisch schlechtes Ergebnis ein. Die Zukunft ihres Chefs Nils Schmid ist offen.

Stuttgart - Die Sozialministerin weint. Katrin Altpeter ist nicht die einzige Sozialdemokratin, die an diesem für die SPD rabenschwarzen Wahlabend in Stuttgart die Tränen nicht zurückhalten kann. Rund 13 Prozent bedeuten das schlechteste Ergebnis für die SPD in einem westdeutschen Bundesland. Das ist der absolute Tiefpunkt. Dann ist auch noch die AfD an der SPD vorbeigezogen und jetzt drittstärkste Kraft im Land. „Ein Albtraum ist wahr geworden“, seufzt das SPD-Mitglied Nikolaus Landgraf, der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds.

 

Deprimiert sind sie die Genossen, enttäuscht, ratlos. „Da möchte man doch auswandern“, klagt einer. Doch als gegen halb sieben ihr Spitzenkandidat Nils Schmid zu ihrem Treffpunkt, dem Restaurant Alte Kanzlei kommt, begrüßen sie ihn mit anhaltendem Applaus.

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Der Landesvorsitzende spricht von einem bitteren Tag und einer schmerzlichen Niederlage. Er verspricht, „wir werden das Ergebnis sehr sorgfältig analysieren, mit dem gebotenen Ernst, der gebotenen Sorgfalt und Demut“. An Rücktritt habe er nicht gedacht. Darüber war bereits am Nachmittag diskutiert worden. 15 Prozent könnten existenzgefährdend für den Spitzenkandidaten sein, hatte es geheißen. Diskussionen wird es natürlich geben. Vor allem die Fraktion wird sie anstoßen. Allein in der Ministerriege werden mehrere Putschisten vermutet. Am Montagabend tagt der Landesvorstand.

In der Partei hat der Landesvorsitzende Rückhalt. Viele teilen die Auffassung der einstigen Parteichefin Ute Vogt, die weiß, wie es ist, geschasst zu werden. Sie sagt, „das Ergebnis ist so dramatisch, dass es billig wäre, einen Kopf zu fordern“. Zumal das noch nie etwas gebracht habe. „Nicht bei mir und nicht bei Erhard Eppler.“ Vogt meint, „bei so einem Schlag muss man zusammenhalten“. Da wäre einiges zu verbessern, findet der Juso-Vorsitzende Leon Hahn. „In der Partei ziehen nicht alle an einem Strang“, klagt er. „Partei, Fraktion und Regierungsmitglieder“, jeder mache, was er wolle.

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Vieles hängt in naher Zukunft davon ab, welche Rolle die SPD nach diesem Debakel übernehmen kann. Für eine zweite Auflage der grün-roten Koalition wird es kaum reichen. Eine Ampel ist möglich. Die Vorzeichen würden sich angesichts der neuen Kräfteverhältnisse ändern. Die SPD würde Ministerposten einbüßen. Doch Nils Schmid könnte sich nach Erwartung diverser Genossen bei einer Regierungsbeteiligung wohl behaupten.

So recht weiß ohnehin niemand, was dem Finanz- und Wirtschaftsminister vorzuwerfen wäre. Der Spitzenkandidat Nils Schmid hat wie seine gesamte sozialdemokratische Partei die zahlreichen Tiefschläge aus den Umfragen der vergangenen Wochen weggesteckt und hat sich redlich durch denn Wahlkampf geackert. „Am Nils hat’s nicht gelegen“, sagen sie. Bleibt für die SPD die Frage, die der Sprecher des Landesverbands stellt und auf die kein Genosse eine Antwort weiß: „Welche Fehler haben wir denn im Wahlkampf gemacht?“ Auf jeden Fall keine gravierenden, darin sind sich alle Genossen im Land einig. Auch die Bilanz der Regierung finden die Sozialdemokraten durchaus in Ordnung. Unter dem Strich hätten alle ihre Ministerinnen und Minister ordentliche Arbeit macht. Zumindest keine so viel schlechtere, wie es der eklatante Unterschied zu dem Grünen-Ergebnis nahelegen könnte.