Es ist heiß in Stuttgart. Der Deutsche Wetterdienst rechnet mit einem neuen Temperaturrekord, der vorraussichtlich am Samstag erreicht wird. Mediziner warnen davor, sich bei dieser Hitze zu überanstrengen.

Stuttgart - Es sollte ein ausgefallenes Geschenk zum 90. Geburtstag der Mutter werden. Die Kinder von Annelie Dehner-Hilscher hatten allerdings nicht damit gerechnet, dass dieses Präsent ein halbes Jahr nach der Übergabe in aller Munde sein würde. Die 90-jährige Konstanzerin ist die Namensgeberin des Hochs Annelie, das die heißen Temperaturen für ganz Deutschland bringt. Die Freie Universität in Berlin vergibt die Patenschaften, 299 Euro kostet ein Hoch. In diesem Jahr tragen die Hochdruckgebiete in Europa weibliche Namen, die Tiefs männliche. Der Namensgeberin selbst macht die Hitze nichts aus: „Ich bin da nicht so empfindlich.“ Sie hat sich vorgenommen, in den kommenden Tagen viel schwimmen zu gehen.

 

Sport in Maßen, Wassen in Massen

Wäre Annelie Dehner-Hilscher die Patientin von Tobias Schilling, würde er ihr ans Herz legen, das zumindest im Schatten zu tun. Der Leiter der Interdisziplinären Notaufnahme (INA) im Katharinenhospital rechnet in den kommenden Tagen vermehrt mit Menschen in der Notaufnahme, die sich und ihrem Körper zu viel Hitze auf einmal zugemutet haben. Vermutlich zwischen fünf und zehn Patienten täglich werden es werden, sagt er. „Der schnelle Wechsel von kühlen zu heißen Temperaturen macht dem Organismus sehr zu schaffen“, so Schilling. Deswegen empfiehlt er, dem Körper Zeit zur Umstellung zu geben. „Also nicht gleich sieben Stunden lang in die pralle Sonne legen, weil man Angst hat, der Sommer könnte morgen schon wieder vorbei sein.“ Durch das vermehrte Schwitzen verliert der Körper außerdem Elektrolyte, Schilling rät bei den heißen Temperaturen zu etwas, was normalerweise nicht gesund ist: „Salzen Sie Ihr Essen ordentlich!“ Die Nahrung sollte aber leicht verdaulich und kalorienreduziert sein, denn im Sommer verbraucht der Körper weniger Energie. Und natürlich: viel trinken, drei bis vier Liter am Tag. Ob die Getränke kalt oder warm sind, sei völlig egal. „Die Masse zählt, nicht die Temperatur.“ Wer nicht auf den Sport im Freien verzichten möchte, sollte am besten frühmorgens aktiv sein, wenn die Temperatur noch etwa 18 Grad Celsius beträgt.

Am Morgen ist die Ozonbelastung am geringsten

Der Stadtklimatologe Rainer Kapp schließt sich der Empfehlung an: „Morgens ist auch die Feinstaub- und Ozonbelastung in der City am geringsten.“ Die Kessellage bewirke, dass eine stetige Abkühlung fehle. „Wir werden die Wärme nicht richtig los, und das verursacht im Körper Stress“, erklärt Kapp. Durch die dichte Bebauung und die Topografie ist besonders im Innenstadtbereich die gefühlte Temperatur höher als die offizielle. Die Frischluftschneisen, beispielsweise vom Nesenbach zum Neckartal, sollen einen Durchlüftungseffekt bringen. Kapp empfiehlt: „Halten Sie sich auf Grünflächen und unter Bäumen auf, da ist das Mikroklima am besten.“ Klaus Riedl vom Deutschen Wetterdienst (DWD) erkennt Parallelen zum Rekordsommer des Jahres 2003. Wie damals bestimmt heute eine sogenannte Omega-Wetterlage die Temperaturen. „Ein dickbauchiges Hoch liegt zwischen zwei Tiefs“, sagt Riedl.

Omega-Wetterlage sorgt für beständiges Hoch

Vom Wettersatelliten aus sieht das dann optisch aus wie der griechische Buchstabe Omega. „Auf der linken Seite haben wir ein Tiefdruckgebiet über dem Atlantik, auf der rechten Seite über Osteuropa“, so Riedl. Zwischendrin liege dann eben ein runder Keil nach Norden, der bis an die Ostküste Grönlands reiche, so der Wetterexperte. „Je langgestreckter diese Druckgebilde sind, umso ortsfester und beständiger sind sie“, sagt der Meteorologe. Und dieses Omega, das sich momentan über Europa ausbreite, sei „außergewöhnlich groß“, so Riedl. Das führt dazu, dass es auch in den kommenden Tagen heiß bleiben wird. Der vorläufige Temperaturrekord wird voraussichtlich am Samstag erreicht. Der Wetterdienst auf dem Schnarrenberg rechnet mit einem neuen Rekordmaximum für den Monat Juli. Bislang liegt der bei 36,8 Grad Celsius, gemessen am 11. Juli 1984. Am Sonntag könnte es dann vermehrt zu Schauern und Gewittern kommen. „Das heißt aber nicht, dass die Wärmeperiode dann vorbei ist“, sagt Riedl. „Es wird vielleicht abkühlen, auf etwa 28 Grad.“

Am Mittwoch kletterte das Thermometer in der Stadt bereits auf 33 Grad. Abkühlung verspricht Speiseeis – zum Beispiel in der Gelateria am Marienplatz, der aufgrund der großen versiegelten Fläche als einer der wärmsten Orte in der Stadt gilt. Mindestens bis Mitternacht will der Inhaber Francesco Troiano die Eisdiele in den kommenden Tagen geöffnet haben. Vorausgesetzt, das Eis ist nicht ausverkauft.