Wohin mit dem Islam? Die einen sehen ihn grundsätzlich verankert im Land. Andere wollen stärker differenzieren. Die Zwischentöne im Landtag lassen aufhorchen.

Stuttgart - „Der Islam gehört zu Baden-Württemberg“ - dieser Satz hat im Landtag eine engagierte Debatte über Religionsfreiheit und ihre Grenzen ausgelöst. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bekannte sich am Donnerstag in einer von den Grünen beantragten Debatte gleichen Titels erneut zum Islam als Teil von Deutschland und dem Südwesten. Damit stellt er sich gegen seinen Amtskollegen Stanislaw Tillich (CDU) in Sachsen und Unionsfraktionschef Volker Kauder, die den Islam nicht als zugehörig zu Deutschland erachtet hatten. Die Opposition im Landtag setzte ihre Akzente eher bei den Auswüchsen des Islams, die man nicht unter den Tisch kehren dürfe.

 

CDU-Fraktionschef und Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2016, Guido Wolf, betonte: „Muslime gehören zu Baden-Württemberg, Religionsfreiheit gehört zu Baden-Württemberg, gelungene Integration gehört zu Baden-Württemberg.“ Redner der grün-roten Koalition monierten, dass Wolf der Satz „Der Islam gehört zu Baden-Württemberg“ nicht über die Lippen kam.

Kretschmann riet der CDU: Man möge sich in einen Muslim hineinversetzen, dem gesagt werde, er sei erwünscht, seine Religion aber nicht. „Wie soll ein Mensch mit diesem Widerspruch fertig werden?“ Die Muslima Muhterem Aras (Grüne) sagte, Ausprägungen unterschiedlicher Religionsbekenntnisse wie das Kopftuch, der Verzicht auf Alkohol und Schweinefleisch sollten nicht als Bedrohung empfunden werden, sondern einfach als anders. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel betonte: „Vor dem Islam hat sich niemand zu fürchten.“

Aras sagte mit Blick auf Äußerungen von CDU-Fraktionschef Wolf, wenn Christdemokraten das Märchen verbreiteten, Weihnachtsmärkte sollten in Wintermärkte und Martinsumzüge in Sonne-Mond-und-Sterne-Umzüge umbenannt werden, sei das „fahrlässig, gefährlich und verantwortungslos“.

Lasotta übt Kritik an Regierung

Der integrationspolitische Sprecher Bernhard Lasotta warf der Regierungskoalition vor, Konflikte heraufzubeschwören, die so nicht bestünden. Diese existierten nicht zwischen den im Landtag vertretenen Parteien. „Die Feinde, die Populismus machen, sind draußen - die AfD“, sagte Lasotta. Es bestehe in Deutschland keine Gefahr der Islamisierung - „aber es gibt Tendenzen, die die Menschen hier mit Sorge betrachten.“ Er sprach sich für einen schnelleren flächendeckenden Ausbau des islamischen Religionsunterrichts im Südwesten aus. Im Südwesten leben mehr als eine halbe Million Muslime.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warnte davor, die Diskussion auf einen einzigen Satz zu verkürzen. Wenn man die Ängste in der Bevölkerung ignoriere, werde man der Stimmungslage nicht gerecht und leiste Pegida Vorschub. „Der CDU ein Stöckchen hinzuhalten und zu sagen: „Spring oder spring nicht“, hilft in dieser Debatte nicht weiter.“ Der von Altbundespräsident Christian Wulff geprägte und jüngst von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wiederholte Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ könne leicht zu Missverständnissen führen, meinte Rülke. So gehörten Hassprediger, die Scharia und die Terrormiliz Islamischer Staat nicht zu Deutschland.

Wolf erteilte der mittlerweile aufgespaltenen islamkritischen Pegida aus Dresden eine Absage: „Wer sich aufschwingt, um Fremdenfeindlichkeit und Hass unter die Menschen zu bringen, der hat auf unseren Straßen und Plätzen nichts verloren.“ Allerdings dürfe nicht jeder, der sich mit dem gewaltbereiten Islamismus kritisch auseinandersetze, in die rechte Ecke gestellt werden.