In London fängt ein Hochhaus Feuer. Einige können sich rechtzeitig in Sicherheit bringen, andere werden wegen des Rauchs dazu gezwungen, in der Wohnung zu bleiben. Überlebende und besorgte Angehörige berichten.

London - Mitten in der Nacht gellen Alarmschreie durch den Grenfell Tower im Westen Londons. „Fire! Fire!“, rufen die Einwohner durch die Treppen des 27 Etagen hohen Betonklotzes. Einige können sich retten, auch die 39-jährige Hanan Wahabi aus dem neunten Stock. Dann telefoniert sie gleich mit ihrem Bruder in der 21. Etage. Er will auch raus, doch es gibt zu viel Rauch. „Das letzte Mal, als ich ihn sah, winkte er aus dem Fenster, zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern.“

 

Hanan Wahabi, die am Mittwochmorgen mit Kopftuch und Pyjama in einem Gemeindezentrum von North Kensington steht, wurde um 01.00 Uhr nachts auf den Brand aufmerksam. „Asche wurde durch das halb geöffnete Fenster ins Wohnzimmer geweht“, berichtet die Frau, die zunächst einmal erleichtert darüber ist, dass auch ihr Mann, ihr 16-jähriger Sohn und ihre achtjährige Tochter dem Inferno entkamen.

Als sie den Brand bemerkte, züngelten die Flammen bereits an dem Hochhaus empor. Kaum war die Familie Wahabi in Sicherheit, rief Hanan gleich in der 21. Etage an, aus Sorge um den Bruder und dessen Familie. „Zu dem Zeitpunkt war das Feuer noch nicht ganz oben angekommen“, sagt sie. „Er sagte, dass ihm geraten worden sei, drinnen zu bleiben und Handtücher vor die Türen zu legen. Aber ich sagte ihm, dass er raus muss. Er wollte kommen, aber dann sagte er, es gebe zu viel Rauch.“

Nachbarschaftsinitiative warnte vor Brandgefahr

Dann hat Hanan noch einmal mit der Schwägerin telefoniert, während ihr Bruder mit der Feuerwehr telefoniert. Seit 02.00 Uhr gibt es kein Lebenszeichen mehr. Die Menschen in den oberen Etagen des Grenfell Tower saßen in der Falle, wie ein Augenzeuge namens Daniel der BBC schildert. „Sie sind verbrannt“, sagt Daniel. „Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.“ Er hat auch gesehen, wie Menschen aus dem brennenden Gebäude sprangen.

Unter den Überlebenden ist der 55-jährige Eddie aus der 16. Etage. Er wurde mitten in der Nacht vom Brandschutzmelder der Nachbarn aus dem Bett geschreckt. Er hörte, wie die Nachbarn „Fire! Fire!“ riefen. Als er die Tür öffnete, schlugen ihm schon Rauchschwaden entgegen. Irgendwie hat Eddie es nach draußen geschafft, wo er jetzt mit T-Shirt, Shorts und Turnschuhen steht, ein feuchtes Handtuch über die Schultern geworfen, das er geistesgegenwärtig noch mit auf die Flucht genommen hatte.

Eddie ist überzeugt, dass es „eine Menge Leute nicht nach draußen geschafft haben“. Das macht ihn wütend. Eddie gehört zu der Nachbarschaftsinitiative, die schon vor Jahren über einen Internet-Blog vor der Brandgefahr in dem 1974 errichteten und zuletzt umfassend renovierten Gebäude gewarnt hat. Es müsse wohl erst eine „Brandkatastrophe“ eintreten, bevor die Eigentümer „zur Verantwortung gezogen“ werden, hieß es da. Einige Stunden nach dem Großbrand im Grenfell Tower ist die Opferbilanz der Feuerwehr noch ungenau - sie spricht von mehreren Toten und mindestens 50 Verletzten.