Rektor Alexander W. Roos will durch Auswahlgespräche die Abbrecherquote an der Hochschule der Medien senken. Vom neuen OB Fritz Kuhn erhofft er sich Impulse für die Hochschulstadt Stuttgart.

Stuttgart - Für seine zweite, sechsjährige Amtszeit hat sich Alexander W. Roos, der Rektor der Hochschule der Medien (HdM), hohe strategische Ziele gesetzt: „Wir wollen eine Hochschule werden, die universitäre Handlungsspielräume hat“, sagt der BWL-Professor, Jahrgang 1962. Das heißt, die anwendungsorientierte Forschung und die Masterstudiengänge sollen ausgebaut werden und die eigene Medienproduktion soll auf Uni-Niveau laufen. In einem Jahr soll ein fakultätenübergreifender Forschungsmaster starten, der zugleich das Bindeglied zum Promotionskolleg Computeranimation wird, das die HdM mit den Unis Stuttgart und Tübingen anbietet.

 

Berufstätige als neue Zielgruppe entdeckt

Ein eigenes Promotionsrecht strebt Roos für die HdM nicht an. „Wichtig ist der Promotionszugang – und dass die spannenden Leute hier bleiben.“ Als neue Zielgruppe hat die HdM jetzt auch die Berufstätigen entdeckt, die sich nebenher weiterbilden, aber nicht gleich im Masterstudium einschreiben wollen. Ihnen will die Hochschule gebührenpflichtige Zertifikatkurse anbieten, bei denen sie zugleich Kreditpunkte erwerben können. „Wer genug gesammelt hat, kann sich zur Masterarbeit anmelden“, kündigt Roos an. Davon könnten, so der Rektor, nicht nur die Teilnehmer und ihre Betriebe profitieren, sondern auch die HdM. Denn dieses Angebot spült ihr Geld in die Kasse, während sie ihre fünf bestehenden Masterstudiengänge mit 539 Studierenden nur durch Selbstausbeutung der Professoren betreiben könne. Denn das Land gebe dafür keine Ressourcen.Dafür sei „das Pfund, das wir in Händen haben, diese Kreativatmosphäre“, sagt Roos. „Hier kommen Leute her mit einer Leidenschaft für das Thema Medien.“ Allerdings erlebten er und seien Kollegen „immer wieder, dass Studierende mit völlig falschen Berufsbildern vor Augen kommen – wir spotten manchmal und sagen, das ist unser Hollywood-Faktor“, sagt Roos im Blick auf prominente Filmschaffende, die an der HdM ein- und ausgehen.

Doch der Hintergrund ist ernst. Denn einem Teil der Studienanfänger fehle die Studierfähigkeit. Dies falle besonders bei einem Teil der Absolventen aus Berufskollegs auf, die große Lücken in Deutsch, Mathe, Physik hätten, obgleich auch ihnen die Hochschulreife bestätigt worden sei. Viele Anfänger scheiterten bereits im ersten Semester. In den technischen Studiengängen liege die Abbrecherquote bei mehr als 50 Prozent, während sie in Fächern mit einem Numerus clausus zwischen 1,2 und 1,8 wie Werbung, Informationsdesign und Audiovisuelle Medien extrem gering sei.

„Wenn fundamentale Dinge fehlen, hilft kein Vorkurs“, sagt Roos. „Wir sind dabei, ein Didaktikzentrum aufzubauen.“ Ziel seien Zusatzangebote, also eine Art Nachhilfe. „Aber wir werden vor der Aufnahme auch verstärkt Auswahlgespräche führen und andere Schwerpunkte bei der Notengewichtung setzen“, kündigt der Rektor an.

Nachhilfe für Studienanfänger

Auch wenn das bei rund 7100 Bewerbern und 780 Anfängerplätzen aufwendig sei. Aber eine hohe Abbrecherquote sei „volkswirtschaftlich nicht so effizient“, meint Roos. Die Niveauunterschiede der Anfänger zeigten sich nicht nur bei bestimmten Berufskolleg-Absolventen, sondern auch zwischen Abiturienten aus verschiedenen Bundesländern – „aber das ist ein politisch nicht angesagtes Thema“.

Ganz anders dürfte dies beim Thema Internationalität sein. „Ich möchte mehr Ausländer hier haben“, sagt Roos. Derzeit seien es acht Prozent. „Wir bauen verstärkt englischsprachige Angebote auf.“ Sie seien dergestalt, dass ein Gaststudent ein Semester lang klar komme. Selbst aus dem Mittleren Osten gibt es bereits Anfragen.

Zwei Neubauten und Lernräume für die Studenten

Und schließlich ist auch das Wachstum ein Thema. „Wir haben uns in elf Jahren verdoppelt“, so Roos. Aktuell seien 4300 Studierende eingeschrieben, „wir werden bei 5000 landen“. Nebenan wächst bereits der Neubau für die Fakultät Information und Kommunikation – im Februar 2014 wird er fertig und ermöglicht auch die räumliche Fusion. Ein zusätzlicher Bau als Ersatz für den Pavillon wird der HdM bis Ende 2014 rund 1000 Quadratmeter mehr Fläche bringen – und den Studierenden ihre dringend benötigten Lernräume.Nicht zuletzt hofft Roos, dass mit dem neuen OB Fritz Kuhn die Medien- und Hochschulstadt Stuttgart sichtbarer wird als unter Wolfgang Schuster. Ein grüner Ministerpräsident, eine grüne Wissenschaftsministerin und ein grüner OB ließen auf ein gutes Zusammenspiel hoffen – „und einen anderen Kick für die Hochschulstadt“. Die Bildungsbürgermeisterin Susanne Eisenmann, obgleich von der CDU, habe von jeher Interesse für die Hochschulen gezeigt.