Wegen der fragwürdigen Zulagen für Professoren der Beamtenschmiede wird nun wegen Untreue ermittelt. Die strafrechtliche Relevanz der Zahlungen wurde schon 2012 gesehen. Nun rechtfertigt das Wissenschaftsministerium, warum man nicht den Staatsanwalt einschaltete.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Ludwigsburg - Warum hat das Wissenschaftsministerium die Staatsanwaltschaft nicht über fragwürdige Vorgänge an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg informiert? Mit dieser Frage sieht sich das Ressort von Theresia Bauer (Grüne) konfrontiert, seit die Anklagebehörde vor Kurzem förmliche Ermittlungen wegen der umstrittenen Leistungszulagen für 17 Professoren eingeleitet hat. Nach mehrwöchigen Vorermittlungen prüft sie nun in einem offiziellen Verfahren, ob es sich bei den vom früheren Rektor Walter Richard Maier gewährten Zahlungen um strafbare Untreue gehandelt hat.

 

Kurz vor seiner Pensionierung hatte Maier den Professoren damit dauerhaft höhere Einkünfte beschert; die Zusatzbelastung für die Hochschule liegt je nach Rechenart zwischen 90 000 und 260 000 Euro jährlich. Man untersuche jetzt, ob dem Land durch rechtswidrig gewährte Zulagen ein Schaden entstanden sei, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Die Dauer der Ermittlungen sei „nicht absehbar“, sie dürften sich bis weit ins Jahr hinein hinziehen. Die Staatsanwaltschaft hatte im November 2011 aufgrund eines StZ-Berichts zunächst Vorermittlungen eingeleitet. Weder das Ministerium noch die Hochschule hatten sie eingeschaltet, obwohl es schon früh Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Relevanz gab.

Das Strafrecht nur als „letztes Mittel“?

Auf StZ-Anfrage widersprach das Wissenschaftsressort jetzt dem Vorwurf, man habe „aktiv darauf gedrungen“, dass der Vorgang nicht von der Staatsanwaltschaft oder vom Rechnungshof untersucht wird. „Das Strafrecht ist Ultima Ratio (letztes Mittel, die Red.) und erfordert einen geprüften, entscheidungsreifen Sachverhalt“, sagte ein Sprecher Bauers. Neben der rechtlichen Prüfung setze dies eine Entscheidung der Hochschule voraus, wie sie mit dem Fall umgehe. Seit dem Abschlussbericht der auf Maier folgenden Rektorin Claudia Stöckle im Jahr 2013 bis zum Januar 2015 sei man davon ausgegangen, dass die Bezüge in allen Fällen „umgedeutet“ worden seien. Daher habe das Ministerium „keine Veranlassung zur Einschaltung von Staatsanwaltschaft oder Rechnungshof“ gehabt. Äußerungen eines ehemaligen Mitarbeiters, der mehrfach die Abgabe an die Justiz thematisiert hatte, seien zu einem Zeitpunkt erfolgt, als „keine abschließende rechtliche Bewertung des Sachverhalts möglich war“.

Bereits im Jahr 2012 lag indes ein Gutachten vor, nach dem die zugrunde liegende Besoldungsrichtlinie der Hochschule klar rechtswidrig war; dies wurde durch eine zweite, auf Wunsch des Ministeriums in Auftrag gegebene Expertise bestätigt. Nach Protokollen von damals wurden im Beisein des Ministeriumsvertreters sowohl die „Einschaltung der Staatsanwaltschaft“ als auch mögliche Regressforderungen an den Altrektor erwogen; dies sollte in einem Gespräch mit Ministerin Bauer erörtert werden. Später sagte der Beamte laut einer Niederschrift, das Ministerium habe „überlegt, den Rechnungshof oder die Staatsanwaltschaft zu informieren“. Davon habe man aber „im Interesse der Hochschule abgesehen“.

Nicht einmal Disziplinarverfahren eingeleitet

Das Ressort leitete nicht einmal ein Disziplinarverfahren gegen den Altrektor ein, obwohl es dafür bei einem entsprechenden Verdacht nicht viel Spielraum gibt. Aktuell wollte sich der Sprecher nicht dazu äußern: Es handele sich um personalrechtliche Vorgänge, die dem Datenschutz unterlägen; weder zur Einleitung noch zum Stand etwaiger Verfahren dürfe man sich äußern. Maier selbst hatte erklärt, sein Vorgehen sei vom Landesamt für Besoldung abgesegnet gewesen; dem wurde inzwischen klar widersprochen. In der 37-seitigen Antwort auf eine Anfrage der Landtags-FDP hieß es nun, für disziplinarrechtliche Maßnahmen habe es dafür „keine Anhaltspunkte“ gegeben; Strafanzeige hätte die Hochschulleitung im Übrigen auch selbst erstatten können.

Für die FDP-Abgeordneten Hans-Ulrich Rülke und Friedrich Bullinger bleibt es bei dem Verdacht, dass der Fall der Zulagen „der Ministerin zu heikel war und man deshalb die neue Rektorin lieber allein im Regen stehen ließ“. Tatsächlich hätte das Ressort jeden einzelnen Vorgang prüfen müssen, um der Rektorin den Rücken zu stärken. Den Verweis auf die Hochschulautonomie halten Rülke und Bullinger für einen „Vorwand, um sich vor der Verantwortung zu drücken“. Zugleich kündigten die Liberalen an, gemäß Bauers Angebot die fraglichen Unterlagen einzusehen.