Nach viel Kritik bekommt Claudia Stöckle zunehmend Zuspruch: Studenten, Lehrende und Praktiker loben die Rektorin der Hochschule Ludwigsburg. Unbeliebt machte sie sich auch dadurch, dass sie Privilegien von Professoren anging.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die umstrittene Rektorin der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg, Claudia Stöckle, bekommt zunehmend Unterstützung. Aus den Reihen der Studenten, der Lehrenden und der Steuergewerkschaft wird Stöckle neuerdings der Rücken gestärkt. Dabei rücken mehr und mehr Missstände und Fehlentwicklungen an der Hochschule in den Blickpunkt, die die Rektorin erkannt und angegangen hatte. Offenbar hat sie sich auch dadurch unbeliebt gemacht, dass sie Privilegien von Professoren in Frage stellte.

 

Die promovierte Juristin war im Jahr 2012 auch deshalb als externe Kandidatin zur Rektorin gewählt worden, um an der Hochschule „aufzuräumen“. Dabei ist sie allerdings selbst nach Ansicht damaliger Unterstützer nicht immer geschickt vorgegangen. An ihrem Führungsstil hatte sich, wie berichtet, breite Kritik entzündet; die Spitzen zweier Fakultäten hatten sich im März mit einer „Resolution“ hilfesuchend an das Wissenschaftsministerium gewandt. Ein Antrag im Senat der Hochschule, Stöckles Amtszeit vorzeitig zu beenden, fand nicht die nötige Zweidrittelmehrheit.

Asta-Chef: Ruf der Hochschule wird gefährdet

Der Antrag war von der Allgemeinen Studierendenvertretung (Asta) gestellt worden, die damit für niemanden Partei ergriff. Sein Ziel sei es alleine, den seit Monaten schwelenden Konflikt zu beenden, hieß es. Der Ruf der Hochschule werde zunehmend gefährdet, die Qualität des Abschlusses geschmälert. Der Asta-Vorsitzende Sebastian Kröber zeigt sich in einem Interview mit dem „Staatsanzeiger“ „sehr betroffen, dass die Entscheidung des Hochschulsenats anscheinend nicht respektiert wird“. Nicht nur drei Mitglieder hätten für den Verbleib von Stöckle im Amt gestimmt, sondern auch jene, die sich enthalten oder ungültig abgestimmt hätten.

Kröber hält es für „durchaus möglich“, dass die Krise gemeinsam mit Stöckle gemeistert wird. Deren Geste, ihren Kritikern die Hand zu reichen, sei der erste Schritt in die richtige Richtung; es gebe Anzeichen dafür, dass konstruktiv weiter gearbeitet werde. Der berufliche Lebenslauf der Rektorin zeige, „dass sie erforderliche Veränderungen erkennen und umsetzen kann“. Zugleich verwies der Asta-Chef auf „viele persönliche Befindlichkeiten“, die in dem Konflikt eine Rolle spielten: „Es liegt nicht immer nur an einer Person, wenn es brennt.“ An das Wissenschaftsministerium appellierte Kröber, die Hochschule zu unterstützen: Er würde es begrüßen, wenn die Behörde etwa einen Prorektor stelle.

Ex-OB lobt Rektorin als kompetent und eloquent

Beistand bekommt die Rektorin auch von dem Lehrbeauftragten und früheren Metzinger Oberbürgermeister Dieter Hauswirth. Er habe sie „als intelligente, kompetente und eloquente Führungspersönlichkeit kennen und schätzen gelernt“, schrieb Hauswirth in einem Leserbrief an die StZ. Seit der Übernahme des Rektorats bemühe sie sich mit Erfolg darum, „die Hochschule zeitgemäß und zukunftsweisend“ zu gestalten. Die von ihr gepflegte „Anerkennungskultur“ werde besonders von den Studierenden sehr geschätzt, betonte der erfahrene Kommunalpolitiker.

Diskussion um ausufernde Nebentätigkeiten

Rückhalt erfährt Stöckle zudem aus den Reihen der Steuergewerkschaft. Deren Vizelandeschef, Markus Scholl, sagte der „Heilbronner Stimme“, er sei bisher gut mit der Rektorin zurechtgekommen und könne die Vorwürfe gegen sie nicht verstehen. „Ich weiß nicht, ob an der Hochschule alles gut und richtig läuft. Frau Stöckle hat es jedenfalls nicht leicht“, wurde er zitiert. Ein anderer Gewerkschafter lobte in einem Schreiben an die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) die von der Rektorin eingeleiteten Veränderungen. Von den Studenten würden diese sehr begrüßt, von den betroffenen meist alteingesessenen Professoren weniger. Bauer, so sein Appell, solle Stöckle „den Rücken stärken“.

An der Hochschule wird inzwischen über mehrere Fälle diskutiert, in denen Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte von Professoren zu Lasten ihrer Haupttätigkeit ausuferten. Stundenpläne hätten sich teilweise nach dem privaten Engagement von Dozenten in der Ausbildung von Steuerberatern gerichtet, hört man. Für den lukrativen Nebenjob hätten sie ihre Lehrtätigkeit stark komprimiert. Dabei seien auch Hochschulräume sowie Verwaltungspersonal der Hochschule genutzt worden. Stöckles Vorstoß, die Unterrichtszeiten stärker zu entzerren, sei bei den betroffenen Professoren nicht gut angekommen, heißt es.

Professor betreibt eigenen Buchhandel

Für Gesprächsstoff sorgte auch der Fall eines Professors, der mit seiner Ehefrau an der Hochschule einen Buchhandel für Fachliteratur betrieb. Sein Briefkopf erweckte den Anschein, dies geschehe in offiziellem Auftrag. Weil der Professor erhebliche Rabatte nicht weitergab, beschwerten sich dem Vernehmen nach Studenten, dass er sich an ihnen bereichere. Die Rektorin soll in diesem Fall inzwischen eingeschritten sein. Aufsehen erregte zudem der Fall einer jungen Professorin, die mehr als das Doppelte ihrer regulären Bezüge hinzu verdiente; inzwischen hat sie die Hochschule verlassen. Im Umfeld der Hochschule heißt es, diese und andere Vorgänge müssten eigentlich systematisch aufgearbeitet werden; dazu wäre auch ein Blick von außen hilfreich.

Claudia Stöckle äußerte sich gegenüber unserer Zeitung nur allgemein: „An die Stelle von Emotionen müssen nun Besinnung und Vernunft treten.“ Sie sei „offen für jeden Vorschlag aus dem Wissenschaftsministerium, welcher dazu geeignet ist, die Hochschule wieder in ruhigere Gewässer zu führen“. Ihr voller Einsatz gelte weiterhin der Ausbildung des Beamtennachwuchses und damit der Zukunft des Landes, betonte die Rektorin. Am kommenden Montag wird sich der Hochschulrat mit den Turbulenzen befassen. Nachdem die Amtszeitverkürzung im Senat gescheitert ist, wäre ein entsprechendes Votum des Hochschulrats rechtlich folgenlos. Faktisch aber würde es Stöckle erschweren, im Amt zu bleiben.