Weil der Doppeljahrgang von Abiturienten an die Unis strömt, sind Studentenzimmer diesen Herbst besonders knapp. Auch ausländische Studierende bekommen keinen Platz im Wohnheim.

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

Stuttgart - Der Doppeljahrgang strömt an die Universitäten, die ersten Einführungsveranstaltungen beginnen, doch wo sollen all diese Studenten in Stuttgart wohnen? Bei der Universität Stuttgart hat der große Andrang von Erstsemestern jetzt offenbar zu mindestens einer ungewöhnlichen Entscheidung geführt: Die ausländischen Studenten aus dem Austauschprogramm Erasmus erhalten keine Wohnheimplätze. Das hat das Internationale Zentrum (IZ) entschieden. Die Einrichtung der Universität erhält jedes Semester vom Studentenwerk ein Kontingent an Wohnheimplätzen für ausländische Studierende. Die Entscheidung bestätigten jetzt mehrere Mitarbeiter des IZ gegenüber der StZ. Die Uni habe so viele internationale Programme, Erasmus sei eben nur eines davon. Rund 150 Erasmus-Gäste werden an der Uni Stuttgart im Wintersemester erwartet. Sie müssen jetzt privat unterkommen. Die Gründe für diese Entscheidung wollte die Universität auf Nachfrage nicht nennen.

 

Studienanfängerin Ella Marx kommt zwar nicht mit Erasmus aus dem Ausland, sondern auf eigene Faust aus dem Saarland – doch sie kennt noch gar niemanden in Stuttgart. Ella Marx wird hier bald in Hörsälen sitzen, Klausuren schreiben und Seminare besuchen. Die Abiturientin hat eine Zusage für das Fach Wirtschaftswissenschaften an der Uni Hohenheim bekommen. Fast hätte sie ihr Wunschstudium gar nicht antreten können – weil sie wochenlang kein Zimmer in der Landeshauptstadt finden konnte. „Besonders für Erstsemester-Studenten oder Studierende aus dem Ausland ist es schwierig, was zu finden“, sagt Ella Marx. Die Abiturientin hat im Internet gesucht, nur wenige Male wurde sie von den Besitzern überhaupt zu einer Besichtigung eingeladen. Am Ende ist Ella Marx dann doch noch fündig geworden – in Filderstadt-Bernhausen. „Es war unmöglich, in Stuttgart direkt was zu finden. Viele sagen grundsätzlich, sie vermieten nicht an Wohngemeinschaften oder an Studenten.“

Oberbürgermeister appelliert an Vermieter

Genau so sollte es eigentlich nicht sein, findet Doris Wittmer vom Mieterverein: „Die Studenten, Rentner und Arbeitslosen sind das schwächste Glied – wollen wir sie etwa raus aufs Land abdrängen? Man hat von Seiten der Stadt jahrelang nicht an sie gedacht.“ Oberbürgermeister Wolfgang Schuster hatte bereits Mitte August einen Aufruf veröffentlicht, mit dem er Vermietern und Wohnungseigentümern „Mut machen“ wollte, an Studenten zu vermieten.

Für viele „Erstis“ ist der schnellste Weg, in Stuttgart ein Dach über dem Kopf zu bekommen, sich um einen Wohnheimplatz zu bewerben. Das Stuttgarter Studentenwerk, das die Wohnheime für Hochschulen in der Landeshauptstadt sowie in den Städten Esslingen, Ludwigsburg und Göppingen verwaltet, gibt sich gerüstet für den großen Ansturm. „Wir haben schon vor zwei Jahren Vorkehrungen getroffen und beispielsweise ab dem Wintersemester 2010/2011 die Höchstwohndauer in den Heimen von sechs auf vier Semester reduziert“, sagt Andreas Kasel vom Studentenwerk. Die Studenten, die dort nach vier Semestern auszögen, würden sich ja dann schon in der Stadt auskennen und fänden leichter ein Zimmer, erklärt Kasel. Das Stuttgarter Studentenwerk verwaltet 30 Wohnheime mit 6400 Zimmern. Andreas Kasel berichtet, in diesem Jahr hätten sich rund 3000 Studenten auf 2250 freie Plätze beworben, entschieden werde nach Bewerbungseingang. Das Studentenwerk habe daher auch Annoncen geschaltet und auf diese Weise weitere Zimmer von privaten Vermietern für die Studenten gefunden.

Zimmer gegen Hilfe im Haushalt

Der Eigentümerverein Haus und Grund gibt an, Mitglieder schon länger dazu zu animieren, auch an Studenten zu vermieten. „Neben dem Anspruch, jungen Leuten zu helfen, kann es für Vermieter auch rentabler sein, eine Fünf-Zimmer-Wohnung an fünf verschiedene Personen zu vermieten als an einen Einzelnen“, sagt Ulrich Wecker, Geschäftsführer von Haus und Grund Stuttgart. Außerdem fordere der Verein Eigentümer dazu auf, Mansardenzimmer zu vermieten. „Ältere Menschen haben vielleicht einzelne Zimmer zur Verfügung und können gleichzeitig noch jemanden brauchen, der mal den Rasen mäht“, so Wecker. Diese Idee greift auch eine Aktion der Stadt Stuttgart und des Studentenwerks Tübingen Hohenheim auf: Bei „Wohnen mit Hilfe“ bieten ältere Menschen Studierenden eine Unterkunft zu einer reduzierten Miete, wenn die jungen Mieter im Haushalt helfen und Schnee schippen. Dass Studierende jetzt wieder wie vor zehn Jahren vorübergehend eventuell in Notunterkünften untergebracht werden müssen – damals im ehemaligen Eisenbahnerwohnheim in der Nordbahnhofstraße – erwarten die Mitarbeiter des Studentenwerks für das kommende Wintersemester aber nicht.

Eine Alternative für wohnungssuchende Studenten in Städten wie zum Beispiel Berlin sind Initiativen wie „Bewacht durch Bewohnen“ – wie es etwa die Firma Camelot international organisiert. Dabei wohnen Studenten in alten Schul- oder Krankenhäusern, die bald abgerissen oder renoviert werden und leer stehen. Die Studenten wohnen günstig und müssen im Gegenzug das Gebäude vor Vandalismus schützen und sauber halten. In Stuttgart gibt es aktuell keine Angebote. Dirk Rahn von Camelot Deutschland erklärt: „Wir bekommen immer wieder auch aus Stuttgart Anfragen.“ Es könnte sich in Zukunft einiges tun, meint Rahn. „Wegen Stuttgart 21 müssten eigentlich bald Gebäude vorübergehend leer stehen.“