Studierende der Universität Hohenheim und der Hochschule Nürtingen-Geislingen waren vor Kurzem in der Ukraine auf Exkursion. Sie haben zwar auch den Maidan-Platz besucht, doch ihr Hauptaugenmerk galt der Landwirtschaft vor Ort.

Hohenheim - Ein Banner hängt über dem ausgebrannten Haus der Gewerkschaften am Maidan. Meter von Stoff verbergen die rußgefärbte Betonfassade der Ruine. Auf blauem Untergrund zeigen sie ein blühendes Kornfeld. Hinter dem Banner dringen Geräusche hervor. Menschen kehren Scherben und Schutt zusammen. Der Studentin Anna Häusler hat sich die Szene eingeprägt. „Für mich war das ein Zeichen, dass die Gewalt in Kiew vorbei ist, aber es ist alles noch gar nicht lange her.“

 

Auf dem Maidan wurde Geschichte geschrieben

Kurz vor dem Abflug nach Deutschland schauten die Hohenheimer und Nürtinger Teilnehmer einer vom Osteuropa-Zentrum der Hohenheimer Universität organisierten Exkursion in die Ukraine auf jenem Kiewer Platz vorbei, auf dem vom vergangenen Herbst an Geschichte geschrieben wurde: dem Unabhängigkeitsplatz Maidan.

Eigentlich wollte die Gruppe zum Abschluss ihrer Reise eine ganz normale Stadtführung durch Kiew machen. Aber das scheint im Moment nicht möglich zu sein. Die Touristenführerin hatte selbst an den Protesten auf dem Maidan gegen das autoritäre Regime von Viktor Janukowitsch teilgenommen. „Zuerst war sie ganz locker und hat Witze gemacht. Aber als wir uns dem Maidan genähert haben, ist sie plötzlich still geworden. Wir haben gemerkt, dass sie noch Bilder im Kopf hat, die sie nicht einfach so vergessen kann“, sagt Anna Häusler. Spannend sei es gewesen, die Orte zu sehen, die im vergangenen Winter täglich in Nachrichten und Sondersendungen zu sehen waren, sagt die Studentin. Vor allem sei es aber sehr bedrückend gewesen, sagt sie mit Nachdruck.

Die Kämpfe konzentrieren sich auf den Osten des Landes

Näher als in den wohl recht eindringlichen Schilderungen der Stadtführerin sind die Studenten der Hohenheimer Universität und der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen der anhaltenden Gewalt in der Ukraine während ihres einwöchigen Aufenthalts nicht gekommen. Denn trotz der Eskalation in den vergangenen Monaten steht nicht das ganze Land in Flammen. Nachdem die Halbinsel Krim im März von Russland annektiert worden ist, konzentrieren sich die Kämpfe von pro-russischen Separatisten gegen die Truppen Kiews auf den Osten des Landes. Bisweilen greifen sie auf den Süden über, in dem gleichfalls viele russisch-sprachige Menschen leben.

Während die Auseinandersetzungen in den betroffenen Regionen längst von beiden Kampfparteien als Krieg bezeichnet werden, ist aus anderen Regionen des Landes – insbesondere aus der Westukraine – überhaupt nichts von Wirren zu hören. Die Exkursion aus Deutschland beschränkte sich nach Absprache mit der Deutschen Botschaft in Kiew auf Regionen der Ukraine, die bisher als sicher gelten.

Der Exkursionsleiter hat schon in der Ukraine gelebt

Ein Ziel der Exkursion war das 200 Kilometer südlich von Kiew gelegene Deutsche Agrarzentrum (DAZ) in Potasch. Es wird vom Osteuropazentrum der Universität Hohenheim koordiniert. Der Exkursionsleiter Heinrich Schüle hat das DAZ einst selbst aufgebaut. Er lebte von 2008 bis 2013 in der Ukraine, verließ aber das Land, bevor die Proteste gegen Janukowitsch im Herbst ihren Anfang nahmen. Laut Schüle blicken viele agrarwirtschaftliche Betriebe trotz des Bürgerkrieges in der Ostukraine verhalten positiv in die Zukunft.

Es herrscht die Hoffnung vor, dass ohne die unter Janukowitsch allgegenwärtige Korruption bessere Rahmenbedingungen bestehen, um das Potenzial der ukrainischen Landwirtschaft auszunutzen. „Und das ist eigentlich sehr groß“, sagt Schüle. Er glaubt, dass einige Studenten nach der Exkursion Lust bekommen haben, sich weiter mit der Ukraine zu beschäftigen, beispielsweise als Praktikant bei einem ukrainischen Agrarbetrieb.

Anna Häusler kann das für sich bestätigen. „Diese Aufbruchsstimmung ist ziemlich aufregend“, sagt sie. Im Sommer möchte sie ein Praktikum in der Ukraine machen – sofern es die Sicherheitslage in dem Krisenland zulässt.