Es war ein historischer Besuch: In Kuba hat Frankreichs Präsident François Hollande den einstigen Revolutionär Fidel Castro getroffen. Und der Franzose forcierte die Annäherung des Westens an den Karibikstaat, indem er sich für ein Ende des US-Embargos einsetzte.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Havanna - Frankreichs Staatschef François Hollande hat sich bei seinem Besuch in Kuba für die sofortige Aufhebung des US-Embargos gegen die kommunistisch regierte Insel ausgesprochen und auf den hohen Schaden verwiesen, der durch die über 50 Jahre alte Blockade auf der Insel angerichtet wurde. Das Embargo habe Kuba „in seiner Entwicklung schwer geschadet“, kritisierte Hollande bei einem Vortrag in der Universität von Havanna und versprach sich dafür einzusetzen, dass die Strafmaßnahmen abgeschafft werden.

 

Die kubanische Regierung kalkuliert die wirtschaftlichen Verluste durch das Embargo auf 830 Milliarden Dollar (etwa 738 Milliarden Euro) seit Anfang der sechziger Jahre. Frankreich und Kuba sind traditionell eng verbunden. Paris hat zu keinem Zeitpunkt die diplomatischen Beziehungen zu Havanna abgebrochen.

Hollande, der von einer 20-köpfigen Wirtschaftsdelegation begleitet wurde, erwies sich bei seinem gut 24-stündigen Besuch als guter Gast. Er vermied es, öffentlich das Problem der politischen Gefangenen und Dissidenten zu erwähnen, versprach aber, die Menschenrechte gegenüber Präsident Raúl Castro anzusprechen. Zuvor hatte er dessen Bruder Fidel Castro einen Besuch abgestattet: „Ich stand einem Mann gegenüber, der Geschichte geschrieben hat“, zeigte sich der Präsident beeindruckt vom 88 Jahre alten Revolutionsführer.

Die erste Visite seit fast 30 Jahren

Für die Regierung von Raúl Castro ist die erste Visite eines EU-Staats- und -Regierungschefs seit 1986 sowie der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten seit der Unabhängigkeit des Landes 1898 das vorerst letzte hochrangige Treffen. Nach seinem Händedruck mit US-Präsident Barack Obama auf dem Amerika-Gipfel in Panama Anfang April folgte ein Gespräch mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau, und gerade erst war er beim Papst im Vatikan.

Castro positioniert sein Land geschickt als Gesprächspartner der großen Staaten und Blöcke. Die Europäische Union hofiert Kuba nach langen Jahren der Indifferenz wieder, angetrieben von der plötzlichen Annäherung der USA an Havanna. Vor allem die europäische Wirtschaft befürwortet eine engere Verbindung, damit die großen Investitionspotenziale in dem Elf-Millionen-Land genutzt werden können. Frankreich ist einer der größten Investoren auf Kuba. Französische Unternehmen sind schon jetzt im Bausektor, der Telekommunikation, dem Energiesektor, der Getränkeindustrie und im Verkehrssektor in Kuba beteiligt und möchten ihr Engagement deutlich ausbauen. Kuba hat erst vor einem halben Jahr 246 Projekte aus vielen Bereichen der Wirtschaft geöffnet und sucht dafür dringend Geldgeber. Vor allem im Nahrungsmittelsektor und der Energiebranche braucht das Land händeringend Kooperationspartner.

Hollande prescht vor

Mit Hollandes Visite weicht Frankreich vom Kurs der vorsichtigen Annäherung der EU an Kuba ab und prescht alleine vor. Die Regierung in Paris befürwortet schon seit Langem eine schnellere und intensivere Annäherung an die kommunistische Regierung, als sie in der EU konsensfähig ist. Erst Ende März war die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach Havanna gereist, um die gestörten Beziehungen zwischen Brüssel und der Insel in Gang zu bringen.

Europa war lange der wichtigste Wirtschafts- und einer der intensivsten Dialogpartner Kubas, bis 2003 wegen der Festnahme von 75 Dissidenten die Kooperation auf ein Mindestmaß reduziert wurde. Nach Freilassung der Oppositionellen suchte Brüssel 2008 erstmals wieder eine Annäherung an Havanna, aber nach wie vor hält die Union grundsätzlich an der „gemeinsamen Position“ aus dem Jahr 1996 fest, die eine Kooperation von Fortschritten bei „Menschenrechten und Demokratisierung“ abhängig macht. So ist Kuba das einzige große Land in Lateinamerika und der Karibik, mit dem Brüssel kein Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit abgeschlossen hat. Das versucht die Europäische Union nun zu ändern. Europa will auf der Karibikinsel nicht den politischen und wirtschaftlichen Anschluss verlieren.