Zeitweilig war der Kinderstar Mickey Rooney der größte Geldbringer der Traumfabrik. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg fiel der erwachsene Mann ins Karriereloch. Aufgegeben hat Rooney jedoch nicht.

Stuttgart - Besser kann eine Filmkarriere kaum anfangen. Verhängnisvoller auch nicht. Mickey Rooney, der Sohn zweier Vaudeville-Entertainer, sollte nach dem Willen der Mutter unbedingt so früh wie möglich vor eine Kamera. Und er bekam dann nicht nur einen vorerst folgenlosen kleinen Auftritt als süßer Knopf. Er wurde 1927, im Alter von sieben Jahren, der Star einer Kurzfilmserie, die auf einem damals bekannten Comic basierte. Deren Held hieß Mickey McGuire, was die Mutter sogar dazu veranlasste, ihren am 23. September 1920 in Brooklyn als Joseph Yule jr. geborenen Sohn umtaufen zu lassen. Nur der Einspruch des Studios verhinderte, dass der am Sonntag im Alter von 93 Jahren in Kalifornien Gestorbene auch noch McGuire als Nachnamen bekam.

 

Klein, aber oho

Fast 80 Folgen der Mickey-McGuire-Serie drehte Mickey Rooney ab, aber der Ruhm aus diesem Vorprogrammknüller der Kinos war noch gar nichts gegen die Popularität, die nun folgen sollte. MGM besetzte Rooney als Andy Hardy in dem Film „A Family Affair“ (1937), der neben den Prestigeprojekten des Edelstudios nur eine ganz banale Füllproduktion zu sein schien. Die heitere und sentimentale Darstellung amerikanischen Familiensinns aber traf den Nerv des Publikums.

Die Billigproduktion wurde ein Hit, der sich zur letztlich fünfzehnteiligen Serie auswuchs. Und niemand zweifelte daran, dass der Erfolg nur Mickey Rooneys Verkörperung von Andy – klein, aber oho! – zu verdanken war, weshalb man nur von den Andy-Hardy-Filmen sprach und ihm die Drehbücher auf den Leib schneiderte.

Als Andy Hardy aus dem Krieg kam

Keck und charmant, gutherzig und vorlaut, naiv und gewitzt – Rooney spielte den Goldjungen als von Anständigkeit gezähmtes Energiebündel, als amerikanisches Ideal, und er konnte sich vor der Kamera anstrengungslos ein paar Jahre jünger machen. Dabei half ihm sein eher bescheidener Wuchs: Rooney brachte es auf 1,57 Meter, aber auf eine enorme Fallhöhe.

Denn zeitweise war er der größte Umsatzbringer von MGM und damit vermutlich auch die solideste Kassenattraktion Hollywoods. Er heiratete die später als schönste Frau der Welt gehypte Ava Gardner und zog als Megastar in die Truppenbetreuung im Zweiten Weltkrieg. Aber als er in die Studios zurückkehrte musste er, wie andere Filmschaffende auch, bitter lernen, dass sich der Filmgeschmack seiner Landsleute scheinbar über Nacht geändert hatte, fast wie beim Umbruch vom Stumm- zum Tonfilm.

Dass seine Kinderrolle nicht mehr gefragt war, kam Rooney sogar entgegen. Der exzellente Tänzer, Sänger und Allround-Entertainer traute sich ja längst reifere Rollen zu, vor allem auch die Darstellung harter Kerle. Am liebsten wäre Rooney wohl ein zweiter Humphrey Bogart geworden. Aber Andy Hardy holte ihn nun ein wie in der Fabel der Igel den Hasen  – die Zuschauer sahen immer nur Andy Hardy auf der Leinwand und nahmen dieses Bürschlein nicht für voll. Und je verächtlicher sie abwinkten, desto verkrampfter wirkte Rooneys Mischung aus Harter-Bursche-Posen und der kindlich aufmerksamkeitsheischenden Knuddelt-mich-Kessheit von einst.

Flops und Schocks

Mit einer Serie von Flops wurde Rooney zum Inbegriff des Kinderstars, der den Sprung in eine erwachsene Identität nicht findet. Aber auch wenn der einst Schwerreiche einmal sogar völlig pleite war, er gab nicht auf, er versuchte es mit Fernsehshows, mit Clubauftritten, am Theater und mit Fernsehfilmen. Und er schaffte es, zu einem Elder Statesman in Hollywood zu werden, zu jemand, der trotz Falten und Zipperlein jugendfrisch den Geist einer anderen Ära verkörpern konnte. Um so schockierter war Amerika dann, als dieser Zeuge der großen Hollywoodtage zum Botschafter einer viel ernsteren Sache wurde.

Im Alter war Rooney eine Zeit lang zur Geisel seines Stiefsohns geworden, der mit Essens- und Medikamentenentzug Wohlverhalten und finanzielle Unterstützung erzwang. Rooney machte nun auf das Problem der Gewalt gegen Senioren in Familien und hinter Heimtüren aufmerksam: und dass das von einem kam, den man für immer mit den verklärtesten Darstellungen der Familie als Hort des Glücks verknüpfen wollte, war eine bittere Medizin. Rooney aber hatte die Leute endlich doch noch so weit, ihn nicht mehr mit Andy Hardy gleichzusetzen.