Männer und Frauen kaufen im Fernsehen und im Internet unterschiedlich ein. Wer sich mehr für den Staubsauger interessiert und warum, verrät Sonja Piller.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)
Stuttgart – - Frau Piller, die meisten Anrufer kennen HSE 24 aus dem Fernsehen. Was passiert bei einer Bestellung eigentlich hinter den Kulissen?
Alle Daten laufen in Echtzeit in unserer Regie ein – mit ihnen steuern wir die Sendung. Wir können zum Beispiel einblenden, in wie viel Minuten ein Kleid ausverkauft ist. Nach der Bestellung checken wir binnen weniger Sekunden die Kreditwürdigkeit des Kunden und liefern dann die Ware aus.
Das klingt eher nach einem Finanzkanal als nach einem – Verzeihung – Hausfrauensender.
Wir sind schon lange kein reiner Shopping-Sender mehr, der irgendwelche Produkte an Hausfrauen verkauft. Wir sind ein Omnichannel-Retailer (kanalübergreifender Händler, Anmerkung der Redaktion), der auch im Internet sehr stark präsent ist und dort erfolgreich verkauft. Wir agieren sehr smart und setzen präzise Datenanalysen ein.
Die Daten sagen auch, dass 86 Prozent Ihrer Kunden weiblich und im mittleren Alter sind – und beim Bügeln gerne die Sendungen schauen.
Unsere Kundinnen legen vor allem Wert auf schöne Dinge und bestellen gerne etwas für sich und ihre Familie. Bei den Neukundinnen, die mit dem Smartphone und Tablet in unserem Online-Shop bestellen, liegt das Durchschnittsalter bei 41 Jahren. Die Kundin, die über den Desktop-PC erstmals bei uns einkauft, ist im Schnitt 49 Jahre, während die TV-Zuschauerin durchschnittlich 60 Jahre zählt.
Und was kaufen die Kunden am häufigsten?
Produkte aus dem Bereich Mode, Schmuck und Beauty. Insgesamt bieten wir innerhalb eines Jahres mehr als 20 000 Artikel an. Unser Bestseller sind kabellose Weihnachtskerzen, im vergangenen Jahr haben wir 150 000 Stück verkauft. Im Bereich Kosmetik gehört die Oil Cream von Judith Williams mit 80 000 verkauften Stück zu den Topsellern. Einen Staubsauger von Dyson haben wir vor Kurzem in gut zwei Wochen sogar über 35 000-mal verkauft.
Werden die Staubsauger vor allem von den wenigen männlichen Kunden bestellt?
Staubsauger bestellen tatsächlich viele Männer. Sie kaufen aber auch Nahrungsergänzungsmittel und Münzen. Wenn sie Mode bestellen, dann für ihre Frau.
Haben Sie schon einmal daran gedacht, einen Männerkanal aufzumachen?
Nein, denn Männer kaufen grundsätzlich anders ein. Frauen shoppen tendenziell lieber, lassen sich gerne inspirieren und verführen. Wir haben eine klare Kernzielgruppe – Frauen ab 30 Jahre – und wollen kein Gemischtwarenladen sein.
Welche Rolle spielt das Online-Geschäft für Sie?
Mittlerweile generieren wir damit circa ein Viertel unseres Umsatzes. Dafür haben wir auch eine eigene App, mit der Sie einen Artikel auch mit einem Klick bestellen können. Der E-Commerce ist unser zentraler Wachstumsmotor: Der Umsatz ist hier in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits auf 164 Millionen Euro gestiegen.
Wie wichtig sind dabei für Sie soziale Netzwerke wie Facebook und Youtube, wo der persönliche Kontakt und Empfehlungen eine große Rolle spielen?
Sie sind für uns extrem wichtig. Die Kunst ist, da zu sein, wo unsere Kundinnen sind. Persönliche Ansprache, Vernetzung und eine Community gab es bei uns im Übrigen schon lange, bevor Facebook, Youtube oder Instagram überhaupt gegründet wurden. Die Kunden konnten bei uns schon immer direkt zum TV-Moderator oder zum Experten durchgestellt werden.
Eine Ihrer populärsten Expertinnen ist Judith Williams. Was würden Sie machen, wenn sie das Unternehmen verlässt und ihre Fans mitnimmt?
Da sehe ich keine Gefahr, denn wir schätzen uns sehr und haben seit mehr als zehn Jahren ein äußerst partnerschaftliches Verhältnis. Judith Williams ist eine starke Marke, und wir bieten ihr eine sehr interessante Vertriebsplattform für ihre Produkte. In der Vergangenheit gab es immer wieder Wechsel bei unseren Experten und Moderatoren. Die Kunden sind dennoch bei uns geblieben – sie sind sehr loyal.
Wie ticken eigentlich Ihre Kundinnen in Nahost? Sie haben mit der Mediengruppe Middle East Broadcasting Center ein Joint Venture abgeschlossen und wollen von Dubai aus senden.
Der Betrieb wird voraussichtlich 2018 starten. Der Nahe Osten ist eine außerordentlich attraktive Wachstumsregion mit großem Marktpotenzial und einer konsumfreudigen Klientel. Grundsätzlich sind die Kundinnen aber nicht so unterschiedlich, wie man denkt. Starke Marken können Sie überall verkaufen, weshalb wir unser Sortiment auch für den Nahen Osten nutzen werden.
Welche Folgen hat die Expansion für Ihre Gewinn- und Umsatzziele im kommenden Jahr?
Wir wollen wie in den vergangenen Jahren auf allen Kanälen weiter wachsen – das heißt, zweistellig. Das stärkste Wachstum findet online statt – vor allem über mobile Devices (Endgeräte, Anmerkung der Redaktion). Auch die Internationalisierung werden wir weiter forcieren.
Kann der reine Online-Handel von Ihrem Sender etwas lernen?
Die Inszenierung von Produkten und ein spannendes Storytelling werden immer mehr zum Wettbewerbsvorteil. Reine Online-Händler wie Amazon könnten zum Beispiel von uns lernen, wie man Nachfrage auch weckt und nicht nur befriedigt. In den USA hat Amazon bereits versucht, einen eigenen Beratungskanal mit Moderator und Gästen für die Produkte zu etablieren. Im Mai dieses Jahres haben sie den Versuch wieder eingestellt.
Verbraucherschützer kritisieren, dass Sie die Nachfrage für Produkte wecken, die nicht vergleichbar sind, und Sie diese deshalb überteuert verkaufen können.
Das würden unsere Kunden sehr schnell merken, denn sie sind überall im Markt unterwegs. In der digitalen Welt haben Verbraucher ja alle Möglichkeiten, weltweit einzukaufen.
Viele Ihrer Produkte würde man im Einzelhandel nicht loskriegen. Wie schaffen Sie das?
Auch das stimmt nicht. Unsere Mode zum Beispiel kann sich mit den Marken im Handel messen. Wir kaufen auf den großen Märkten dieser Welt und haben eigene Designer und Qualitätsteams. Was aber stimmt, ist, dass der Einzelhandel manche Produktvorteile kaum vermitteln kann, weil die Zeit fehlt. Wir bieten vermutlich nicht den günstigsten Preis an, können aber in zehn Minuten erklären, weshalb dieser Staubsauger so gut funktioniert. Das ist unsere eigene Marketing-Power.
Kaufen Sie auch selbst bei HSE 24 ein?
Natürlich, zuletzt zum Beispiel Pflanzen für meinen Garten. Weil ich weiß, dass die Qualität stimmt und ich mein Geld zurückbekomme, falls die Ware doch nicht meinen Vorstellungen entspricht.
Weil Sie Geschäftsführerin sind.
Nein, das gehört zu unserem Service.