Die badische Landeskirche lässt zu, dass sich gleichgeschlechtliche Paare vor dem Altar das Ja-Wort geben. Württemberg ist noch nicht so weit. Aber nun erhöht sich der Druck.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Stuttgart - Alles zu spät, beziehungsweise fünf Minuten nach zwölf ist es mittlerweile in der evangelischen Landeskirche Badens, jedenfalls dann, wenn man der Auffassung einiger konservativer Christen folgt, die mit der Entscheidung der dortigen Synode hadern. Das Kirchenparlament hat nämlich in Bad-Herrenalb am Wochenende den Weg frei gemacht für die Trauung homosexueller Paare im Gottesdienst. Künftig sind solche Zeremonien für eingetragene Lebenspartnerschaften gestattet. Bisher war lediglich eine Segnung außerhalb des Gottesdienstes offiziell erlaubt.

 

Baden übernimmt eine Vorreiterrolle

Damit übernimmt Baden nicht nur eine Vorreiterrolle im Südwesten, es kommt auf diese Weise auch quasi zu einer Spaltung der kirchlichen Praxis im Land. Denn die evangelische Landeskirche Württemberg ist noch längst nicht so weit. „Dieser Beschluss wäre in Württemberg nicht möglich“, sagt Steffen Kern, der Vorsitzende des Altpietistischen Gemeinschaftsverbandes und damit ein führender Repräsentant der konservativen Protestanten. „Ich bedauere die Entscheidung in Baden sehr“, sagt der Pfarrer und frühere Synodale. „Die grundlegenden Unterschiede zwischen einer Ehe von Mann und Frau und einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft werden damit eingeebnet.“ Der Theologe interpretiert wie viele seiner Mitstreiter die biblischen Texte über Homosexualität so, dass die Kirche nicht die „Ehe für alle“ sanktionieren könne.

Kern schüttelt besonders den Kopf darüber, dass der Gottesdienst zur Begründung der Lebenspartnerschaft in Baden nach der Agende „Trauung“ gefeiert werden und dann auch als Amtshandlung ins Kirchenbuch eingetragen werden soll. So verlaufe alles wie bei einer Trauung heterosexueller Partnerschaften. Wer soweit gehe, werde den verschiedenen Strömungen im Protestantismus nicht gerecht. „Das stellt die badische Landeskirche vor eine Zerreißprobe“, sagt Kern voraus und hat wohl recht. Denn im Vorfeld hatte das „Netzwerk evangelischer Christen in Baden“ bereits vor der Entscheidung gewarnt, die Synode werde sich mit einem solchen Beschluss gegen den Willen Gottes stellen, hieß es.

Noch gilt in Württemberg, dass Segnungen homosexueller Paare im Gottesdienst nicht zulässig sind. Zwar gibt es auch einzelne Pfarrer und Gemeinden, die sich über das Verbot hinwegsetzen, aber da der Pietismus, der oft die Bibel wortwörtlich interpretiert, hier viel stärker ist als in Baden, bestimmt diese Regel meist den Alltag in den Pfarreien. Ob es zu einer Reform kommt, ist daher zweifelhaft. „Die Lebendige Gemeinde, die stärkste Gruppe in der Synode, wird da nicht mitmachen“, betont Kern. Allerdings setzt die Entscheidung im Badischen sowie der gesellschaftliche Wandel die Württemberger unter Druck. Das Thema rückt spätestens dann in den Focus, wenn eine neue Trau-Agende verabschiedet wird. Das soll noch in dieser Legislaturperiode – also bis 2019 – geschehen. „Ich bin optimistisch, dass es bei uns dann zu ähnlichen Regelungen wie in Baden kommt“, sagt Amelie Ellinger von der Offenen Kirche. Diese Gruppe fortschrittlicher Protestanten setzt sich schon seit Jahren für die völlige Gleichstellung gleichgeschlechtlich Liebender ein, scheiterte bisher aber aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der Synode. „Ich hoffe, dass wir Einzelne aus den anderen Gruppen überzeugen können“, sagt Ellinger. „Gott liebt alle Menschen. Wir müssen für die da sein, die in der Kirche Segen und Zuspruch suchen, sonst hat die Kirche keine Zukunft“, betont die Stuttgarterin.

Die Debatte wird heftig

Übrigens entscheidet jede der 20 evangelischen Landeskirche in Deutschland bei diesem Thema vollkommen autonom. Nach einer Übersicht des Oberkirchenrats in Stuttgart werden nur in vier Landeskirchen – Baden, Berlin, Rheinland und Hessen-Nassau – Trauungen von gleichgeschlechtlichen Paaren mit denen heterosexueller Paare komplett gleich gestellt, also wie in Baden. Viele andere Landeskirchen gehen einen Mittelweg und lassen Segnungen zu. In Bayern, Sachsen, Anhalt und Württemberg sei dies bisher nicht erlaubt. Ob es dabei bleibt? Die Debatte darüber, meint ein Experte aus der Kirchenleitung, werde sicher heftig werden.